Tarifeinheitsgesetz: Diktiergerät der Arbeitgeberlobby ausschalten

03.03.2015

Die Spatzen pfeifen es von allen Dächern: Das geplante Tarifeinheitsgesetz der Bundesregierung ist verfassungswidrig. Doch je lauter die kritischen Stimmen werden, desto verbissener hält Bundesarbeitsministerin Nahles an ihrem Vorhaben fest. Die sozialdemokratische Maxime lautet: Dienst nach Vorschrift, meint: nach Koalitionsvertrag. Da wird die SPD-nahe Basis genauso ignoriert wie führende Arbeitsrechtler und ganze Gewerkschaftsführungen. Applaus kommt im Gegenzug von der Arbeitgeberseite und ihren Verbänden. Allein das müsste diesem altehrwürdigen sozialdemokratischen Kampfverein für Arbeitnehmer/innenrechte »SPD« Anlass genug sein, sich nicht die Finger an einer gesetzlich verordneten Tarifeinheit zu verbrennen. Könnte man meinen, ist aber nicht so!

Gewerkschaftsarbeit unter dem Diktat der gesetzlichen Tarifeinheit

Denn statt sich auch weiterhin für eine Steigerung der Löhne und Verbesserung von Arbeits- und Lebensbedingungen ihrer Mitglieder einzusetzen, müssen Gewerkschaften nun auch Dank der SPD um ihre Existenz bangen. Ihr Tagesgeschäft wird zukünftig von verfassungsrechtlichen Klärungen, notariellen Mitgliederzählungen und Verwaltungsangelegenheiten bestimmt. Daneben bleibt für ihre tarifpolitische Kernaufgabe kaum noch Zeit. Die brauchen Gewerkschaften aber, um beispielsweise über die Erhöhung von Tariflöhnen auch auf die Reallohnentwicklung der Beschäftigten Einfluss zu nehmen. Die jüngste Reallohnsteigerung, im Übrigen die erste seit 14 Jahren, wäre ohne die Gewerkschaften und ihren tarifpolitischen Werkzeugkasten nicht möglich gewesen. Und zu diesem Werkzeugkasten gehören nun einmal auch Warnstreiks, Urabstimmungen und unbefristete Arbeitskämpfe. Ist die Tarifeinheit per Gesetz erst einmal beschlossen, fehlen den Beschäftigten diese Instrumente. Das tarifpolitische Räderwerk wird somit zwangsläufig langsamer laufen und Gewerkschaftsarbeit durch den Gesetzgeber lahmgelegt. Auf diese Weise wird sich Lohnverzicht und flächendeckende Unterbietungskonkurrenz künftig kaum stoppen lassen.

Stärkung der Tarifautonomie? Fehlanzeige!

Die vielen realen Probleme in den Betrieben werden nicht einmal ansatzweise durch Tarifeinheit per Gesetz gelöst. Beispielsweise hat Outsourcing vielerorts zur Zersplitterung der Belegschaften und damit zu unterschiedlichen Standards in ein und demselben Betrieb geführt. Leiharbeit, Werkverträge und der Wechsel von Tarifzugehörigkeiten bei Neugründungen sind für viele Beschäftigte seit Jahren die Regel. In Kombination mit der Möglichkeit, auf die Anwendung von Tarifverträgen zu verzichten, ist es den Arbeitgebern mit Hilfe des Gesetzgebers binnen weniger Jahre gelungen, ArbeitnehmerInnenstandards insgesamt abzusenken. Auch heutzutage bekommt der Werkzeugkasten der Arbeitgeberseite immer wieder neue Instrumente hinzu. Und das Neuste wird an diesem Donnerstag mit dem geplanten Tarifeinheitsgesetz auf den Weg gebracht.

Wer Tarifautonomie ernsthaft stärken will, muss das Diktiergerät der Arbeitgeber-Lobby ausschalten und zur Abwechslung Verbesserungen für die Beschäftigten umsetzen. DIE LINKE fordert hierzu unter anderem eine Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen, die Erweiterung von Mitbestimmungsrechten der Betriebsräte bei Leiharbeit und der Vergabe von Werkverträgen sowie einen Mindestlohn von mindestens 10 Euro. Wer dazu nicht bereit ist und stattdessen ein Tarifeinheitsgesetz durchprügelt, zerstört letztlich die Idee der Tarifautonomie.

Von Jutta Krellmann, gewerkschaftspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag