Leiharbeit & Werkverträge: Der Gesetzentwurf bringt Verschlechterungen statt Regulierung
01.06.2016
von Jutta Krellmann und Klaus Ernst
Mal wieder zeigt sich bei Gesetzentwürfen aus dem Bundesarbeitsministerium: Geschenke an die Arbeitgeber stehen auf der Tagesordnung. Es ist das eine, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen nicht einmal den mageren Vorgaben des Koalitionsvertrages gerecht wird. Von ganz anderem Kaliber ist, dass er sogar zu Verschlechterungen für Leiharbeitskräfte und Stammbeschäftigte führen wird. Die SPD ist sich offenbar für nichts zu schade: Leiharbeit soll im Einsatzbetrieb zur Dauereinrichtung werden – gesetzlich abgesegnet.
Die zentralen Kritikpunkte in Kürze:
Die Zwei-Klassen-Belegschaften werden zementiert – per Gesetz und auf Dauer
Der einzelne Leiharbeiter soll zwar im Normalfall nur bis zu 18 Monate entliehen werden dürfen, per Tarifvertrag ist das aber zukünftig beliebig verlängerbar und selbst die Obergrenze von 24 Monaten für tarifungebundene Unternehmen wurde nochmal aufgeweicht. Noch schlimmer ist: Dauerüberlassung soll auch ohne diesen tariflichen „Freibrief“ möglich werden. Die maximale Einsatzdauer von 18 Monaten bezieht sich nämlich auf den einzelnen Leiharbeitnehmer und nicht auf den Arbeitsplatz im Einsatzbetrieb. Daraus folgt: Hat der eine Leiharbeitnehmer seinen Einsatz beendet, kann sofort ein anderer Leiharbeiter auf dem gleichen Arbeitsplatz weiterarbeiten. Oder man wartet einfach drei Monate und nimmt dann wieder den gleichen Leiharbeitnehmer. Denn die Karenzzeit für den erneuten Einsatz ist aktuell auf drei Monate verkürzt worden.
Der Entleiher soll Leiharbeit also wieder als billige Alternative ohne arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz auf Dauerarbeitsplätzen nutzen können. Das ist eine Verschlechterung gegenüber dem Status Quo und europarechtswidrig. DIE LINKE fordert: Leiharbeit darf nur vorübergehend für Auftragsspitzen oder Personalengpässe erfolgen – längstens drei Monate. Für Dauerbedarf müssen Stammarbeitskräfte eingestellt werden.
Gleiche Bezahlung soll es nur für eine Minderheit geben
Auch weiterhin soll per Tarifvertrag vom Gleichbehandlungsgrundsatz zu Lasten der Betroffenen abgewichen werden dürfen. Und das, obwohl gemeinhin ein Tarifvertrag dazu dient, die Lage für Arbeitnehmer zu verbessern. Die geplante Equal-Pay-Regelung nach 9 bzw. 15 Monaten erreicht zudem nur eine Minderheit der Leiharbeitskräfte. Aktuell sind weniger als 10 Prozent von ihnen länger als 15 Monate beim gleichen Entleiher im Einsatz. Wenn zwischen zwei Einsätzen eine Unterbrechung von drei Monaten liegt, soll Equal Pay dann nicht mehr gelten und die Wartefrist läuft von vorne. DIE LINKE fordert: „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ darf keine seltene Ausnahme bleiben, sondern muss ab dem ersten Einsatztag gelten.
Scheinwerkverträge werden weniger riskant
Bisher ist bei illegaler Arbeitnehmerüberlassung unter dem Deckmantel des Werkvertrages ein festes Arbeitsverhältnis im Einsatzbetrieb zustande gekommen, vorausgesetzt der betroffene Arbeitnehmer hat sich getraut, dies einzuklagen. Zudem machten sich Arbeitgeber wegen Beitragshinterziehung bei der Sozialversicherung strafbar. Das geplante Widerspruchsrecht des betroffenen Arbeitnehmers gegen das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses mit dem Einsatzbetrieb ermöglicht es den Arbeitgebern zukünftig, diese Risiken auszuschließen und straffrei
illegale Arbeitnehmerüberlassung zu betreiben. Das ist eine deutliche Verschlechterung zum Status Quo bei Werkverträgen. Illegale Ent- oder Verleiher können sich einfach direkt bei der Arbeitsaufnahme einen solchen Widerspruch von den Werkvertragsbeschäftigten als Freibrief geben lassen.
Dieser absehbare Missbrauch des Widerspruchsrechts wird auch nicht dadurch verhindert, dass nach aktueller Verschlimmbesserung im Kabinettsentwurf ein vorab geleisteter Widerspruch unwirksam sein soll. In der Praxis wird dies nicht abstrakt vorab, sondern direkt bei Arbeitsaufnahme geschehen. Und genau dies soll nun explizit wirksam sein. Dem Missbrauch ist auch weiterhin Tür und Tor geöffnet. DIE LINKE fordert: Das Widerspruchsrecht muss ersatzlos gestrichen werden.
Eine ernsthafte Abschreckung für Scheinwerkverträge wäre es, wenn sich illegal überlassene Arbeitnehmer häufiger mit Erfolg beim Entleiher auf ihremArbeitsplatz „einklagten“. Nach dem Entwurf aber trägt der Arbeitnehmer weiterhin die Beweislast, wenn er illegal an den Schein-Werkbesteller ausgeliehen wurde und er sich dort einklagen will. Nach dem Gesetz ist der illegale Entleiher automatisch Arbeitgeber – in der Praxis wehrt er sich aber mit allen rechtlichen Mitteln dagegen, den illegal überlassenen Arbeitnehmer als normalen Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen. In dieser Situation soll der Arbeitnehmer auch in Zukunft vor dem Arbeitsgericht beweisen, dass er illegal überlassen wurde und nicht im Rahmen eines Werkvertrags für seinen Arbeitgeber gearbeitet hat. Er soll dann z.B. darlegen, dass sein Arbeitgeber keine eigene Personaleinsatzplanung machte und nicht für Schäden und Gewährleistungsfälle haftete. Der Nachweis scheitert in der Praxis immer wieder daran, dass der Arbeitnehmer dazu nichts weiß. DIE LINKE fordert: der Gesetzgeber muss die Beweislast auf den Entleiher verlagern, der allein die relevanten Fakten kennt.
Keine Mitbestimmung für Betriebsräte
Mehrals Informationsrechte gesteht die Bundesregierung Betriebsräten nicht zu. Das ist kein Fortschritt. Es gibt nicht einmal eine schnell wirksame Sanktion, wenn die Informationspflicht nicht erfüllt wird. Information ohne Absicherung ist keine Mitbestimmung.
DIE LINKE fordert: Damit Betriebs- und Personalräte ihre Aufgaben wahrnehmen können, sollten sie beim Einsatz von Leiharbeit und Werkverträgen ein zwingendes Mitbestimmungsrecht erhalten. Dann können sie Nachteile für die Beschäftigten oder Arbeitsplatzverluste verhindern. Zudem sollten Betriebs- und Personalräte Betriebs- und Dienstvereinbarungen abschließen können, in denen insbesondere Einsatzbereiche, Einsatzdauer, Zahl der eingesetzten Arbeitskräfte oder Übernahmemodalitäten geregelt werden.