Mitbestimmung jetzt! Herausforderungen in einer sich ändernden Arbeitswelt

26.09.2019

Nachricht von Jutta Krellmann & Susanne Ferschl, 24.09.2019

Betriebliche Mitbestimmung, Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie die Abwehr rechter Entwicklungen sind miteinander verbunden. Um über diese Themen zu diskutieren, trafen sich Betriebs- und Personalräte sowie Gewerkschafter aus Niedersachsen, auf der Konferenz der  LINKEN-Bundestagabgeordneten Jutta Krellmann und Susanne Ferschl, am 20.09.2019 in Hannover.

Beim  Auftaktpodium machte  Thomas Berger, Fachanwalt für Arbeitsrecht, deutlich, warum der Arbeits- und Gesundheitsschutz ein wichtiges Handlungsfeld für Betriebsräte ist. Deutschland verfügt zwar im europäischen Vergleich über ein fortschrittliches Arbeitsschutzgesetz, doch dessen Einhaltung wird kaum  kontrolliert. In den letzten Jahren wurden die Stellen bei den staatlichen Arbeitsschutzkontrolleuren massiv abgebaut. Thomas Berger illustrierte es am Beispiel Berlin: 45 Arbeitsschutzkontrolleure müssen 90.000 Berliner Betriebe überprüfen. Ein Ding der Unmöglichkeit. Diese unzureichende Personalstärke der Arbeitsschutzaufsicht hat zur Folge, dass in Berlin je nach Betrieb alle 20 bis 60 Jahre eine Kontrolle stattfindet. Im Jahr 2017 musste die Bundesregierung aufgrund einer Kleinen  Anfrage der Fraktion DIE LINKE  einräumen, dass die Bundesländer nicht über ausreichend Personal verfügen, um die Aufgaben des Arbeitsschutzes zu erfüllen. Infolgedessen merkte Thomas Berger an, dass die Betriebs- und Personalräte vor der schwierigen Aufgabe stehen auf die Einhaltung arbeitsschutzrechtlicher Vorgaben zu achten und gegenüber dem Arbeitgeber durchzusetzen. Dafür stehen den Arbeitnehmervertretern zwar starke Rechte zur Verfügung, die man allerdings kennen muss, um sie anwenden zu können.

Daran unmittelbar anknüpfend rückte Andre von Ossowski, Richter am Arbeitsgericht Eberswalde, während seines Vortrages in den Fokus, dass die Schulung von Betriebs- und Personalräten unverzichtbar sei. Erst die genaue Kenntnis von Handlungsmöglichkeiten ermögliche eine effektive Mitbestimmung zugunsten der Arbeitnehmer. Der steigende Arbeitsdruck bei abnehmender Personaldichte führt in vielen Betrieben zu hohem psychischen und physischen Stress. Wenn Arbeitsschutz- und Arbeitszeitvorschriften nicht eingehalten werden, kann dies zu einer erheblichen Gefährdung der Gesundheit und Sicherheit von Arbeitnehmern führen. Die Unfähigkeit des Staates Arbeitszeitvorgaben wirksam zu kontrollieren, stellt ein eklatantes Problem dar. In diesem Bereich ist die betriebliche Mitbestimmung von herausragender Bedeutung, da Betriebs- und Personalräte oftmals die einzigen Akteure sind, die auf die Einhaltung der Vorgaben bestehen und diese überprüfen. Um die Einhaltung der Regelungen zu kontrollieren und einzufordern, verfügen die Beschäftigtenvertreter*innen über einige effektive Werkzeuge, die allerdings zu selten genutzt werden.

In einem der folgenden Arbeitsgruppen wurde weiter darüber diskutiert, was Betriebs- und Personalräte für guten Arbeits- und Gesundheitsschutz tun können. Gabriele Menge Ulbricht, langjährige Betriebsrätin bei Metro, warb für eine Zusammenarbeit zwischen betrieblicher Interessenvertretung und Berufsgenossenschaften. Gemeinsam könne man einiges bewegen, so die ver.di-Mandatsträgerin in der Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik. Darüber hinaus stellten die Teilnehmer*innen fest, dass Gefährdungsbeurteilungen zu selten genutzt werden und die Arbeitnehmervertreter*innen diesbezüglich geschult werden müssen. Bei der Gefährdungsbeurteilung handelt es sich um ein sehr sinnvolles und effektives Instrument um Gefährdungen im Betrieb zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, bevor es zu einer Gesundheitsschädigung kommt. Zudem ist die Gefährdungsbeurteilung ein wichtiges Mittel zur Organisation des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Einen weiteren eklatanten Mangel machten die Teilenehmer*innen bezüglich psychischer Erkrankungen aus. Das Berufskrankheitenrecht greift bei vielen psychischen Erkrankungen nicht. Dort ist der Gesetzgeber gefragt, die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer zu wahren und dafür zu sorgen, dass diese häufig auf enormen Stress in Verbindung mit der Entgrenzung der Arbeitszeit basierenden Erkrankungen als Berufskrankheiten klassifiziert werden.

Im Workshop „Die Leerstellen der Mitbestimmung“ stellten die Teilnehmer*innen fest, dass vor allem beim Outsourcing und bei der Personalpolitik die Mitbestimmung unzureichend ist und dringend gestärkt werden muss. Des Weiteren wurde bemängelt, dass Sanktionen gegen Arbeitgeber viel zu schwach ausfallen. Die Teilnehmer*innen forderten außerdem eine Beweislastumkehr bei Lohnabzug bezüglich der Notwendigkeit von Betriebsratsarbeit und der Freistellung für diese. Derzeit kann der Arbeitgeber den Lohn kürzen und der betroffene BR muss es sich einklagen.

Die Teilnehmer*innen des Workshops „Gewerkschaftlich aktiv gegen rechts“ diskutierten zusammen mit dem langjährigen VW-Betriebsrat Carsten Büchling  Carsten Büchling ist aktiv in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit, leitet den ReferentInnenarbeitskreis der IGM Nordhessen und ist ehrenamtlicher Richter am LAG Frankfurt/M. Er stellte den Teilnehmer*innen die Faustformel „klare Kante und offene Tür“ vor. Gemeint ist dabei, dass man Funktionäre rechtsextremer oder nationalistischer Parteien kein Forum bietet, aber gleichzeitig auf die Wähler rechter Parteien offen und bestimmt zugeht. Des Weiteren muss man den interkulturellen Austausch fördern, über rechte Tendenzen aufklären und sich gegen Rechts vernetzten. Diesbezüglich gilt es vor allem erfolgreiche Aktionen zu teilen und sich gegenseitig zu unterstützen, um voneinander zu lernen. Thema der Diskussion waren auch die nächsten Betriebsratswahlen, bei denen ein Erstarken rechter Listen droht. Über eines bestand Einigkeit: Eine starke betriebliche Interessenvertretung ist ein wichtiges Mittel gegen Rechts. Überall dort, wo Beschäftigte gemeinsam und solidarisch etwas durchsetzen, geraten die Rechten in die Defensive. Demokratisch gewählte Betriebsräte, die die Interessen ihrer Kolleg*innen, unabhängig von deren Herkunft vertreten, sind deshalb wichtiger denn je.

Starke Betriebs- und Personalräte sind unerlässlich, um gute Arbeit in den Betrieben durchzusetzen. Die  Herausforderungen an die Interessenvertreter*innen wachsen stetig auf Grund der sich ändernden Arbeitswelt-  das hat die Konferenz gezeigt. Mitbestimmung kann nur effektiv sein, wenn das Wissen über die Mechanismen der Vertretung von Arbeitnehmer*innen geschult wird und die Lücken im Betriebsverfassungsgesetz geschlossen werden. Die Betriebs- und Personalräte dürfen diesbezüglich nicht alleine gelassen werden. Es gilt sie so gut wie möglich auf zukünftige Herausforderungen vorzubereiten, damit die Interessen der Arbeitnehmer*innen weiterhin im Rahmen einer starken und selbstbewussten Mitbestimmung vertreten werden können. Deshalb fordert DIE LINKE die Mitbestimmung zu stärken und Betriebsratswahlen zu vereinfachen. Denn wer die betriebliche Mitbestimmung stärkt, stärkt auch die Demokratie.