Politikum Überstundenstatistik

11.01.2017

In der Debatte um flexible Arbeitszeiten gewinnen Fragen von genauer Arbeitszeiterfassung und die Anzahl geleisteter Überstunden größere Bedeutung. Beim Treffen zum Arbeitszeitdialog 4.0 beispielsweise standen neben Fragen von Änderungen der Ruhezeiten, auch die in Deutschland geleisteten Überstunden (bezahlt und unbezahlt) auf der Tagesordnung. Grundlage solcher Debatten und Analysen sind jeweils die dazu erhobenen Statistiken, die auf Daten des Mikrozensus des Statistischen Bundesamt und bzw. oder den Daten des Instituts für Arbeits- und Berufsforschung (IAB) fußen. Die Bundesregierung stellte in ihrer Antwort auf die kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Jutta Krellmann „Arbeitszeiten in Deutschland“ (18/9499) die Daten aus dem Mikrozensus zur Verfügung. Diese Angaben wichen auffallend stark von den im Juli 2016 veröffentlichten Daten des IAB ab. Um diese Diskrepanz zu klären, wurde sowohl die Bundesregierung als auch das Statistische Bundesamt um Aufklärung gebeten.

Methoden

Der Mikrozensus ist eine repräsentative Stichprobe, die jährlich von den Statistischen Landesämtern in 1 % der Haushalte (ca. 890.000 Personen) durchgeführt wird. Die Teilnahme ist verpflichtend, allerdings sind die Angaben zu einigen der Fragen freiwillig. Bei der Ermittlung der Arbeitszeit gibt es erst seit 2010 auf Anforderung der Europäischen Statistikbehörde eine Frage, die unmittelbar die tatsächlich geleisteten Überstunden abfragt – allerdings nur die in der Woche vor der Befragung geleisteten Überstunden. Die Beantwortung dieser Frage ist freiwillig, Daten darüber, wie oft diese Frage beantwortet wurde, liegen nicht vor.

Sowohl das Statistische Bundesamt also auch die Bundesregierung gehen davon aus, dass der Mikrozensus wegen dieser Einschränkungen die geleisteten Überstunden nur ungenügend abbildet. Die Arbeitszeitrechnung des IAB bezieht ihre Daten aus mehreren unterschiedlichen Quellen: Der Mikrozensus fließt ebenso ein wie das Sozioökonomische Panel (SOEP), der ifo-Konjunkturtest, Daten zu BIP, Auftragseingängen im verarbeitenden Gewerbe, zur Konsumneigung und andere Daten (Details in IAB-Forschungsbericht 9/2014, Seite 23-30).

Überstunden in Millionen

 

Bezahlt Unbezahlt Gesamt Vollzeitäquivalente bei 38,5 Stundenwoche
IAB 816,2 997,1 1813,3 905.744
IAB

(Mikrozensus eingerechnet)

764,8 939,5 1704,3 851.299
Mikrozensus 339,7 493,8 833,5 416.334

Bewertung der Bundesregierung

In ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage von Jutta Krellmann (BT-Drs. 18/9596 – Nrn. 55 + 56), welche der beiden Verfahren und Ergebnisse die Bundesregierung bei der Überstundenermittlung für zutreffender halte, erklärt diese, dass zur Ermittlung des Arbeitsvolumens die IAB-Arbeitszeitrechnung besser geeignet sei.

Dazu erklärt Jutta Krellmann, gewerkschaftspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag:

„Es ist schon dreist, bei Überstunden mit Zahlen zu arbeiten, die die Hälfte des Problems einfach unter den Tisch fallen lässt – und danach das Regierungshandeln auszurichten. Der Bundesregierung muss klar sein, dass sie damit hunderttausende von sofort möglichen Vollzeitstellen statistisch verschwinden lässt. Das ist nicht nur unehrlich, sondern schadet obendrein der Debatte um eine gerechte Verteilung unserer Arbeitszeit.“

 

Die Ergebnisse der Kleinen Anfrage „Arbeitszeiten in Deutschland“ finden Sie hier.

Die Antwort der Bundesregierung auf die schriftliche Nachfrage finden Sie hier: Jutta Krellmann 2016-08-233 und 234 – Antwort Bundesregierung