Prekär Beschäftigte seltener durch einen Betriebsrat geschützt

05.09.2019

Zusammenfassung:
In Branchen mit Niedriglöhnen, prekären Beschäftigungsverhältnissen und geringer Tarifbindung sind Betriebsräte kaum vertreten. In Betrieben mit Tarifbindung werden 60 Prozent der Beschäftigten von einem Betriebsrat vertreten. In Betrieben ohne Tarifbindung sind es hingegen nur 20 Prozent.

Im Gastgewerbe hatte 2018 nur 3 Prozent der Betriebe einen Betriebsrat. Nur 11 Prozent der Beschäftigten in West- und 9 Prozent in Ostdeutschland werden durch einen solchen vertreten.

Im Baugewerbe liegt der Anteil der Betriebe mit Betriebsräte bei nur noch 3 Prozent (halbiert seit 2003). Wurden 2003 noch ein Viertel der Beschäftigten von einem Betriebsrat vertreten, sind es 2018 nur noch 17 Prozent in West- und 14 Prozent in Ostdeutschland.

Im Handel liegt der Anteil der Betriebe mit Betriebsrat bei 9 bzw. 8 Prozent (West-/Ostdeutschland). 19 Prozent der Beschäftigten in Ostdeutschland werden durch Betriebsräte vertreten.

In einzelnen Branchen ist die Vertretung durch einen Betriebsrat deutlich höher. Spitzenreiter ist die Branche Energie/Wasser/Abfall/Bergbau mit einem Anteil der Betriebsräte von 30 Prozent in den neuen und 43 Prozent in den alten Bundesländern. Sie vertreten in den neuen 74 Prozent und in den alten Bundesländern 81 Prozent der Beschäftigten.

2018 hatten lediglich 9 Prozent der Betriebe in den alten und 10 Prozent der Betriebe in den neuen Bundesländern einen Betriebsrat. Weniger als die Hälfte der Beschäftigten in West- und knapp ein Drittel in Ostdeutschland werden durch einen Betriebsrat vertreten. In Bundesländern wie Berlin oder Rheinland-Pfalz hat sich der Anteil der der Betriebe mit Betriebsrat zwischen 2002 und 2018  sogar fast halbiert (-41,7 Prozent). Arbeitnehmervertreter führen dreimal häufiger ein Beschlussverfahren vor Gericht als Arbeitgebervertreter. Diese wurden in den alten Bundesländern von 2007 bis 2017 immer seltener, in den neunen Bundesländern immer öfter erstritten. Spitzenreiter ist Mecklenburg-Vorpommern, wo die erledigten Beschlussverfahren in dem Zeitraum um mehr als das Dreifache angestiegen sind.

Ein wesentlicher Grund für den Rückgang dürften Maßnahmen der Arbeitgeber sein, die darauf abzielen, die Gründung von Betriebsräten zu verhindern. Die Bundesregierung verweist in ihrer Antwort auf eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung, nach der ca. 60 Prozent der Gewerkschaftssekretäre Erfahrungen mit der Behinderung von Betriebsräten gemacht haben. Der Bundesregierung liegen nur für Nordrhein-Westfalen Zahlen dazu vor, wie viele Verfahren aufgrund von Verstößen gegen § 119 BetrVG (Straftaten gegen Betriebsverfassungsorgane und ihre Mitglieder) in den letzten 16 Jahren eingeleitet wurden. Hier sind in den Jahren von 2015 bis 2017 80 Prozent der Strafverfahren nach § 119 Absatz 2 BetrVG eingestellt worden. Um der Behinderung von Betriebsräten und deren Wahl entgegenzuwirken, will die Bundesregierung die Anwendung des vereinfachten Wahlverfahrens ausweiten.

O-Ton Jutta Krellmann, MdB, Sprecherin für Mitbestimmung und Arbeit, DIE LINKE im Bundestag: „Das vereinfachte Wahlverfahren ist kein Zaubermittel gegen die Behinderung von Betriebsratswahlen. Es ist ein reines Ablenkungsmanöver der Bundesregierung. Betriebsräte und Betriebsratswahlen sind  besser zu schützen. Das gilt gerade für Branchen mit prekärer Beschäftigung und Niedriglöhnen. Wir brauchen Schwerpunktstaatsanwaltschaften, die Union Busting verfolgen. Wer Betriebsratswahlen initiiert, muss sich auf einen wirksamen Kündigungsschutz verlassen können. Gute Arbeit geht nur mitbestimmt. Es ist an der Zeit, dass die Bundesregierung liefert.“

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