Befristungen haben in Deutschland Hochkonjunktur

Sehr geehrte/r Präsident/in, Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

wir haben heute Morgen über das Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie diskutiert. Ein ganz wichtiger Teil hat dabei gefehlt: Die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung!

Seit dem 1. Mai 1985 mit dem Beschäftigungsförderungs-gesetz, haben die Arbeitgeber die Möglichkeit, Arbeitsverhältnisse ohne Angabe von Gründen zu befristen. Die Anzahl der befristeten Beschäftigungsverhältnisse hat sich seitdem verdoppelt. Jede 2. Neueinstellung ist sachgrundlos befristet. Von der sachgrundlosen Befristung hatte sich Schwarz-Gelb große beschäftigungspolitische Wirkungen erhofft. Wie zu erwarten war, ist das nicht eingetreten. Stattdessen sind immer mehr unbefristete Arbeitsverträge durch Befristete ersetzt worden – Sachgrundlose Befristung hat in Deutschland Hochkonjunktur! Die Arbeitgeber begründen ihre Vorliebe für Befristungen mit Sätzen wie: „Was denn? Wir machen doch nur, was gesetzlich erlaubt ist. Wir machen das, weil wir es dürfen.“

Aber was wollen eigentlich die Beschäftigten?

Knapp 90 % ist ein unbefristeter Arbeitsvertrag wichtig. Das zeigt eine Umfrage unter Beschäftigten der IG Metall aus dem letzten Jahr. Im Grunde fordern alle Gewerkschaften die  Abschaffung der sachgrundlosen Befristungen. Wir finden das gut und laden die Gewerkschaften ein, mit uns gemeinsam für dieses Ziel zu kämpfen!  Lassen Sie mich noch etwas zu den Folgen von Befristung für die Beschäftigten sagen. Hier gibt es vor allem zwei Probleme: Die Arbeitnehmerschutzgesetze werden ausgehöhlt und die Qualität der Arbeit leidet. Eine Befristung führt praktisch zu einer Ausweitung der gesetzlichen Probezeit. Darüber hinaus können die Unternehmen unliebsame Beschäftigte wie:  kritische Betriebsräte, werdende Mütter oder Menschen mit Behinderungen einfacher loswerden.

Aber auch eine Krankmeldung kann schon ein Problem werden. Das zeigt das Beispiel einer befristet Beschäftigten bei der Deutschen Post: Die Kollegin hat über einen Zeitraum von 17 Jahren mehr als 80 Arbeitsverträge unterschreiben müssen, nur um ihren Job zu behalten. Das allein ist schon ein Unding! Aber weil sie Anfang des Jahres krankheitsbedingt ausgefallen ist, wurde ihr Vertrag nicht mehr verlängert.

Das zeigt: Wer für den Arbeitgeber unbequem ist oder seine Rechte einfordert, läuft Gefahr, nach Ablauf der Befristung nicht weiterbeschäftigt zu werden. Nur durch massiven öffentlichen Druck hat diese Frau jetzt endlich einen unbefristeten Arbeitsvertrag bekommen! Das ist eine unglaubliche Geschichte, sowas darf es einfach nicht geben!

Auch für die Qualität von Arbeit ist entscheidend, ob ein Arbeitsvertrag befristet ist oder nicht. Denn, wer befristet beschäftigt ist, hat Angst vor dem Verlust seiner Arbeit und hält deswegen lieber die Klappe. Wer befristet beschäftigt ist, wehrt sich nicht gegen Ungerechtigkeiten und beteiligt sich auch nicht an so etwas wie Warnstreiks oder Streiks. Das ist der Zusammenhang zu dem Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie. Und wer befristet beschäftigt ist, kann deshalb nie seine Rechte als Beschäftigter ganz wahrnehmen. Und das darf es in Deutschland nicht länger geben!

Besonders schlimm finde ich, dass vor allem junge Menschen davon betroffen sind. Jeder zweite Berufseinsteiger wird heute nur noch befristet eingestellt. Das erschwert nicht nur die berufliche Perspektiven, sondern auch die private Lebensplanung. Dass die Große Koalition das nicht anerkennt, zeigt, wie unwichtig Ihnen diese Generation ist. Fachkräftemangel hin oder her.

Und dabei war doch gerade die SPD auf dem richtigen Weg! Sie wollten noch vor neun Monaten die sachgrundlose Befristung abschaffen! Das stand in ihrem Wahlprogramm! Und jetzt? Schweigen und hoffen, dass es keinem auffällt? Nicht mit uns!

Meine Fraktion und ich werden dafür sorgen, dass das Thema Befristung präsent bleibt! Ich habe nicht umsonst seit 1985 gegen Befristungen gekämpft. Wir werden so lange nicht locker lassen, bis das unbefristete Arbeitsverhältnis wieder die Regel ist!

Wir fordern die SPD auf: Vergessen Sie einmal die Koalitionstreue und machen Sie Politik im Sinne Ihrer Wähler und der Betroffenen. Lassen Sie uns die Möglichkeit zur sachgrundlosen Befristung jetzt gemeinsam abschaffen und stimmen Sie unserem Gesetzesentwurf zu.

Vielen Dank.