Bundesregierung muss illegales Verhalten beim Arbeitgeber Deutsche Post öffentlich veruteilen

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und  Kollegen!

Herr Weiler, wir haben am 25. März über diese Frage geredet. Ich persönlich komme aus Niedersachsen, nicht aus Frankfurt. Frankfurt liegt in Hessen. Meine IG-Metall-Verwaltungsstelle ist Alfeld-Hameln-Hildesheim. Darauf bin ich sehr stolz.

Als Gewerkschafterin, Herr Weiler, muss ich sagen, dass mir die Galle überläuft, wenn ich sehe, wie das legitime Recht der Postbeschäftigten mit Füßen getreten wird, nämlich das Recht auf Streik. Es ist überhaupt nicht in Ordnung, was da passiert. Während die Bundesregierung beharrlich schweigt, kommen bei dem Arbeitgeber Post alle möglichen neuen Sauereien und Schweinereien zum Vorschein. Meine  Kollegin hat eben schon Beispiele genannt. Ich kann das noch weiter ausführen. Es sind viele Dinge passiert. Es gab Ausschreibungen für befristete Stellen, für Leiharbeiter, Studierende werden mit extra Streikbrecherprämien geködert, Pakete werden von betriebsfremden Taxifahrern ausgeliefert, der Arbeitgeber Post missachtet wiederholt das Arbeitsverbot an Sonntagen.

Was ist hier eigentlich los in Deutschland?

Sagen Sie mir das doch einmal. Ich finde, es ist eine ziemliche Katastrophe, was da passiert. Deutschlandweit werden gewerkschaftsfeindliche Anzeigen in der Springer-Presse mit der Überschrift „Leere Briefkästen hat Deutschland nicht verdient“ geschaltet. Mit solchen Geschichten wird gegen die Streikenden Stimmung gemacht. Es ist richtig schäbig, was da passiert.

Aus meiner Sicht ist der Bund absolut gefragt, hier einzugreifen. Er ist der größte Einzelaktionär – das ist auch schon von anderen gesagt worden – bei der Post und damit für die Unternehmenspolitik verantwortlich. Natürlich hat der Bund da etwas zu sagen. Wenn man schweigt, macht man sich bei Gesetzesverstößen doch mit strafbar.

Wenn Arbeitgeber frech das Verbot der Sonntagsarbeit unterlaufen, dann muss auch die Bundesebene handeln. Wer denn sonst? Geht nicht, gibt’s nicht.

Auf Länderebene allein kommen wir bei der Lösung dieser Probleme offenbar nicht weiter. Während man in Bayern mit Sonntagsarbeit anscheinend keine Probleme hat, drohen die zuständigen Ämter in Niedersachsen, Thüringen oder Brandenburg mit Bußgeldern. In Bayern ist Streikbruch am Sonntag also erlaubt? Woanders nicht, und trotzdem wird es von der Post gemacht. Das ist eine weitere Sauerei. Die Länder drohen mit Bußgeldern; aber im Grunde sind die Bußgelder am Ende viel zu niedrig in so einer Situation für so ein Unternehmen.

Weil der Arbeitgeber Post keine spürbaren Folgen für sein strafbares Handeln fürchten muss, kann sich Produktionschef Brinks hinstellen und im Grunde frech sagen: Auch unsere zweite Sonntagszustellung war ein großer Erfolg. – Na toll, kann ich da nur sagen. Genau an dieser Stelle kommt mir als Parlamentarierin die Galle hoch: Das Verbot der Sonntagsarbeit auf Länderebene durchzusetzen, funktioniert offensichtlich überhaupt nicht. Der Sonntag muss frei sein, hier und heute.

Dafür mit klaren Regelungen, konsequenter Umsetzung und regelmäßiger Überprüfung zu sorgen, das ist eine Aufgabe des Bundes. Genau das haben die Beschäftigten verdient. Was bedeutet es für die Zukunft, wenn Arbeitgeber glauben, dass Tarifverhandlungen ihnen das Recht geben, Gesetze zu brechen? Was ist, wenn Arbeitgeber dann merken, dass solch ein Verhalten keine unmittelbaren juristischen oder politischen Folgen hat?

Wenn es sein muss, rede ich noch zehnmal hier im Bundestag über diese Situation, und zwar immer dann, wenn es notwendig ist. Das Tarifeinheitsgesetz konnten Sie hier vor sechs Wochen gar nicht schnell genug durchwinken. Durch dieses Gesetz sollten vermeintlich ausufernde Tarifverhandlungen wieder in geordnete Bahnen gelenkt werden. Aber Pustekuchen! Das Gegenteil ist der Fall: Es waren nicht die Streikenden bei der Bahn, die die Tarifautonomie geschwächt haben, sondern es sind Arbeitgeber wie die Post, die systematisch dafür sorgen, dass Tarifverträge angegriffen, geschwächt und unterlaufen werden.

Mir läuft die Zeit davon.

Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Die ist schon davongelaufen.

Die Bundesregierung hat die Einschränkung des Streikrechts sehr schnell auf den Weg gebracht. Dafür Sorge zu tragen, dass Streiks garantiert sind, hat sie bis heute nicht zustande gebracht. Auch ich fordere Frau Nahles auf: Machen Sie den Mund auf. Sagen Sie, was Sie von dieser Geschichte halten. Denn es ist nicht in Ordnung, sich als Arbeitsministerin an dieser Stelle vornehm zurückzuhalten und als jemand, dem das Unternehmen im Grunde gehört, nicht zu sagen, dass man diese Politik nicht in Ordnung findet.

Ich wünsche den Kolleginnen und Kollegen, die im Streik sind, die unsere Diskussion hier möglicherweise verfolgen, ansonsten viel Erfolg in ihrem Kampf. Ich hoffe, dass sie an dieser Stelle ein
gutes Ergebnis erzielen.

Vielen Dank an Sie alle, dass Sie mir zugehört haben.

Flugblatt: Lohndumping bei der Deutschen Post stoppen!
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