Keine gesetzliche Regulierung der Tarifeinheit

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Gewerkschafterin stehe ich voll und ganz zu dem Grundsatz der Tarifeinheit. „Ein Betrieb, eine Gewerkschaft ‑ ein Betrieb, ein Tarifvertrag“, das ist das Bild, zu dem ich stehe und das ich richtig und gut finde. Die Tarifeinheit muss aber politisch hergestellt werden, und das ist alleine Aufgabe der Gewerkschaften.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das Problem ist: Jeder Versuch, die Tarifeinheit gesetzlich festzulegen, zu lenken oder zu reglementieren, ist praktisch ein Eingriff in die Tariffreiheit. Das lehnen wir als Linke absolut ab. Hände weg vom Streikrecht!

(Beifall bei der LINKEN)

Alle bisherigen Redner haben über die Bahn und über die Lufthansa geredet. Dort, wo ich herkomme, gibt es keine Spartengewerkschaften. Es gibt keinen Flughafen, und es gibt keinen Betrieb der Deutschen Bahn. Bei mir im Wahlkreis gibt es viele Betriebe, die zwar von außen aussehen wie ein einziger Betrieb, aber wenn man genau hinschaut, stellt man fest, dass sie nichts anderes als ein löchriger Schweizer Käse sind.

Ich will ein Beispiel nennen: Ein Betrieb in Springe, ein Leuchtenhersteller, war früher ein Betrieb und Mitglied im Verband der Metallindustriellen Niedersachsen. Heute ist dieser Betrieb in zwei Betriebe aufgespalten. Einer ist nach hartem Kampf wieder in den Arbeitgeberverband eingetreten ‑ für diesen Teil gilt der Tarifvertrag ‑, der andere Teil nicht. Für die „alten“ Beschäftigten gelten noch die ursprünglichen Regelungen, aber jeder, der neu in den Betrieb reinkommt, hat Pech gehabt. Er bekommt weniger Geld und hat längere Arbeitszeiten als die anderen Beschäftigten. Nichts mehr mit Tarifeinheit! Pustekuchen! Das haben aber nicht die Beschäftigten oder die Gewerkschaften veranlasst. Das waren die Arbeitgeber.

Dass sich nun ausgerechnet die Arbeitgeberverbände für das Prinzip „ein Betrieb, eine Gewerkschaft“ aussprechen, ist doch völlig unglaubwürdig. Es waren und sind die Mitgliedsfirmen der Arbeitgeberverbände, die entscheidend dazu beigetragen haben, dass die historisch gewachsene Tarifeinheit und damit die Tarifbindung durchlöchert wurden. Die neoliberale Politik von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen haben die Arbeitgeber seit Mitte der 90er-Jahre zum Anlass genommen, Tarifflucht und Tarifkonkurrenz systematisch voranzutreiben. Die Arbeitgeber haben in den letzten Jahren nichts unversucht gelassen, um ganze Betriebe und Belegschaften zu spalten, auszugliedern, gegeneinander in Konkurrenz zu bringen und im Grunde zu entsolidarisieren. Jetzt kommen genau diese Arbeitgeber plötzlich wie Kai aus der Kiste und versuchen, uns weiszumachen, dass sie sich nun darum kümmern wollen, die Belegschaften wieder zu einen. Wir führen hier aus meiner Sicht eine völlig unglaubwürdige Debatte über die Themen, die in Deutschland eine wichtige Rolle spielen.

Frau Nahles ist leider nicht anwesend. Ich hätte ihr gerne folgende Frage gestellt: Was glauben Sie eigentlich, warum die Arbeitgeber und ihre Verbände so sehr darauf aus sind, ein Gesetz zur Tarifeinheit zu bekommen? Was glauben Sie, warum das so ist? ‑ Sie machen sich vor unseren Augen gerade zu Erfüllungsgehilfen der Arbeitgeber. Die aktuellen Streiks von GDL und Cockpit werden genutzt, um selbst erzeugte Probleme auf dem Rücken der Beschäftigten zu lösen, und zwar nicht nur auf dem Rücken der Beschäftigten der Bahn und der Lufthansa, sondern auf dem Rücken aller Beschäftigten in Deutschland.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich kenne keine Gewerkschaft, die streikt um des Streikes willen und weil es so viel Spaß macht. Wer das glaubt, hat keine Ahnung, wie schwierig das ist. Es geht immer um die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen oder um den Erhalt bestehender Regelungen. Deshalb: Tarifeinheit ja, aber ohne Gesetz. Hände weg vom Streikrecht!

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)