Tarifeinheit per Gesetz ist und bleibt gewerkschaftsfeindlich

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Zur Verfassungswidrigkeit hat Professor Däubler im Auftrag unserer Fraktion ein Gutachten erstellt; mein Kollege Klaus Ernst hat das eben bereits erwähnt. Wie Professor Däubler warnt eine große Zahl von Arbeitsrechtlern und anderen Juristen ausdrücklich vor diesem Gesetz. Aber diese Bundesregierung ist in diesem Zusammenhang echt beratungsresistent.

(Kerstin Griese (SPD): Unglaublich, was Sie sagen! – Karl Schiewerling (CDU/CSU): Nur gegenüber Gutachten, die von der Linken kommen!)

Dass Sie politisch nicht auf uns hören, kann ich ja verstehen. Geschenkt! Dass Sie aber eine ganze Menge anderer Juristen und Arbeitsrechtler ignorieren, kann ich im Grunde nicht verstehen.

(Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Aber wundern tut es einen nicht!)

An dieser Stelle herrscht kollektive Ignoranz.

(Beifall bei der LINKEN)

Zukünftig wird Gewerkschaftsarbeit, insbesondere die der kleineren Gewerkschaften, erschwert. Deswegen laufen diese Gewerkschaften gerade Sturm, teilweise vor Ihren Parteizentralen, wie ich mitbekommen habe. An der Basis der Industriegewerkschaften wurde dieses Gesetz nie wirklich diskutiert: weder in Tarifkommissionen noch in Bezirken, noch auf einer Betriebsversammlung vor Ort mit den Beschäftigten.

(Dr. Martin Rosemann (SPD): Bei Verdi auch nicht!)

Die Leute, die ich in den Betrieben treffe, wollen sich und anderen das Streikrecht nicht nehmen lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Martin Rosemann (SPD): Die Mitglieder fragen! – Gegenrufe des Abg. Klaus Ernst (DIE LINKE): Die können wir fragen!)

Ich kann das wirklich nicht verstehen, Frau Nahles. Sie sind doch angetreten, um die Tarifautonomie zu stärken und um den Betriebsfrieden wiederherzustellen. Mit diesem Gesetzentwurf erreichen Sie genau das Gegenteil, und zwar zum Nachteil der Beschäftigten.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Die Tarifautonomie muss ohne einen Eingriff in das Streikrecht gestärkt werden. Das ist beispielsweise durch die Ausweitung betrieblicher Mitbestimmung möglich. Im Gesetzentwurf steht davon nichts.

(Bernd Rützel (SPD): Er ist doch gut!)

Neben einem Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte bei Leiharbeit und Werkverträgen, ist ein erweitertes Mitbestimmungsrecht bei wirtschaftlichen Angelegenheiten, zum Beispiel beim Outsourcing, absolut notwendig.

(Beifall bei der LINKEN)

Das wäre einmal ein Lösungsansatz, der nach vorne gerichtet ist und die Beschäftigten beteiligt, statt sie auszuschließen.

Eine weitere Möglichkeit setzt direkt bei den Arbeitgebern an. Sie sollten sich in ihren Verbänden organisieren. Aber dann muss es auch so weit gehen, dass gesetzlich dafür gesorgt wird, dass geltende Tarifverträge angewandt werden. Ich meine, bei einer echten Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen ist noch ganz viel Luft nach oben. Da müsste noch viel gemacht werden. Schluss mit OT-Mitgliedschaften!

(Beifall bei der LINKEN)

Ziel von Tarifverträgen ist es seit jeher, Konkurrenz auf der Basis von Löhnen auszuschließen. Dazu brauchen wir ein Streikrecht. Das gerät immer mehr aus dem Blick. Im Grunde ist es die Aufgabe des Gesetzgebers, die politischen Rahmenbedingungen zu stärken, damit die Beschäftigten selbst ‑ gemeinsam mit ihren Gewerkschaften ‑ die Tarifeinheit durchsetzen.

Frau Nahles, das sind zwei wirksame Vorschläge zur Stärkung der Tarifautonomie. Meine Liste ist noch lang. Was auf dieser Liste an keiner Stelle steht, ist ein Gesetz zur Herstellung der Tarifeinheit. Ihr Gesetz schwächt langfristig alle Gewerkschaften. Davon bin ich felsenfest überzeugt. Gerade deswegen sind Arbeitgeber so dahinterher, dass es zu einem solchen Gesetzentwurf kommt.

Ich kann die SPD nur warnen: Lassen Sie die Finger weg! Hände weg vom Streikrecht!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Kommen Sie endlich zur Vernunft, und stoppen Sie dieses Gesetz, damit es gar nicht erst so weit kommt, dass wir darüber abstimmen müssen!

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)