Stehen wir vor einer Preisschraube? Anmerkungen zur aktuellen Mindestlohndebatte

26.11.2014

Angst ist unbegründet

Ab 1. Januar ist es so weit, der Mindestlohn kommt auch in Deutschland. Seitdem dies bekannt ist, wird Stimmung dagegen gemacht. Angeblich droht der Untergang der deutschen Wirtschaft, die Preise steigen rasant und Arbeitsplätze werden vernichtet werden.

Diese Propaganda einiger Arbeitgeber und Wirtschaftslobbyisten konnte vielfach mit sachlichen Argumenten und seriösen Folgeabschätzungen entlarvt werden. Denn schon ein Blick auf vergleichbare EU Länder, die seit Jahren einen Mindestlohn haben, zeigt, dass ein Mindestlohn die Volkswirtschaft stabilisiert, dass mit ihm die öffentlichen Haushalte entlastet werden und die Verbraucherpreise nicht in die Höhe schnellen. Und dennoch hat die Propaganda ihre Wirkung gezeigt.

Der in Deutschland in Kraft tretende Mindestlohn liegt mit 8,50 Euro nicht nur unter dem von Irland, Belgien, Frankreich, Luxemburg oder dem der Niederlanden. Die Große Koalition hat ihn zudem mit diversen Ausnahmen versehen. Für Langzeitarbeitslose, Jugendliche unter achtzehn Jahren, Praktikanten. Außerdem für Branchen, die einen Tarifvertrag mit einem niedrigeren Mindestlohn abgeschlossen haben, gilt er erst einmal nicht. Sonderregelungen gibt es auch für Saisonarbeiter und Zeitungszusteller.

Für DIE LINKE, die seit Jahren und als erste deutsche Partei die Mindestlohndebatte vorangetrieben hat, ist klar, dass diese weichgespülte Lohnuntergrenze nur ein Einstieg sein darf. Die Herausforderung besteht daher darin, für die Anhebung und Ausweitung des Mindestlohns zu kämpfen und ihn damit armutsfest zu machen. Dabei geht es nicht allein um die untersten Gehaltsgruppen unter den Beschäftigten. Von einem guten, also flächendeckenden Mindestlohn von mindestens 10 Euro würden alle durch die absehbar höheren Tarifabschlüsse profitieren. Wenn die Arbeitgeber derzeit in ihr altes Klagelied einstimmen und ihre Horrormeldungen bezüglich der Mindestlohnfolgen verbreiten, auch darum, Verbesserungen des Mindestlohns von vornherein zu blockieren.

Das Argument, dass hier besonders bemüht wird, ist das der drohenden Preiserhöhungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher, insbesondere in Branchen in denen der Lohnkostenanteil besonders hoch ist. Klar ist, dass in einigen Dienstleistungsbranchen die Gewinnmargen der Arbeitgeber durch den Mindestlohn durchaus kleiner werden – vor allem bei einigen Friseuren und den Taxiunternehmen. Und naheliegend ist ebenso, dass einige Unternehmen versuchen werden, diese gestiegenen Lohnkosten auf ihre Kunden abzuwälzen. Auch der Spargel und die Erdbeeren könnten teurer werden. Es ist aber mehr als unwahrscheinlich, dass die Preiserhöhungen bei diesen Saisonwaren Cent-Beträge übersteigen und nicht zu übersehen ist, dass die meisten Waren und Produkte aus Branchen kommen, die schon heute mehr als den Mindestlohn zahlen. Von weitflächigen Preissteigerungen kann also überhaupt nicht die Rede sein. Viel entscheidender ist, dass mit einen allgemeinen Mindestlohn die betroffenen Beschäftigten auch mehr Geld in der Tasche haben werden. Der Konsum wird also gestärkt und damit auch die Inanspruchnahme von Dienstleistungen, die sich viele heutzutage kaum mehr leisten können. Letztlich also können die betroffenen Unternehmen durch mehr Kunden auch ohne höhere Preise die gestiegenen Lohnkosten wettmachen.

Die Debatte um die Folgen des Mindestlohns muss vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Die unseriösen und eigennützigen Versuche der Arbeitgeber, die Angst vor der Preisschraube zu schüren sind haltlos. Die Frage aber ist: In was für einem Land wollen wir leben? Und welchen Wert hat Arbeit? Es ist ein Irrglaube, dass niedrige Löhne zu mehr volkswirtschaftlichem Wohlstand führen, das Gegenteil ist der Fall. Mit niedrigen Löhnen bereichern sich die Unternehmen, die mit einem Geschäftsmodell des Lohndumpings einen unsauberen Konkurrenzkampf führen. Sie bereichern sich auf Kosten der Allgemeinheit, die diese Löhne mit sozialstaatlichen Leistungen aufbessern muss. Gleichzeitig leidet der Binnennachfrage unter niedrigen Löhnen.

Für DIE LINKE. ist der Mindestlohn daher ein Element unserer Umverteilungsstrategie. Wir wollen, dass diejenigen, die den Reichtum in diesem Land erwirtschaften auch mehr von diesem haben und wir wollen, dass sie eine höhere Wertschätzung erfahren. Unter dieser Maßgabe gilt: Ein guter Mindestlohn von mindestens 10 Euro ist möglich, er käme allen zugute. Und wir werden ihn durchsetzen.

Erschienen in: DISPUT - Mitgliederzeitschrift der Partei DIE LINKE im November 2014