#mitbestimmt

20.12.2016

Ahoi, Mitbestimmung! Unter diesem Motto hat DIE LINKE im Bundestag Ende November gemeinsam mit über 250 Betriebs- und Personalräten über die Notwendigkeit zur Erweiterung der betrieblichen Mitbestimmung diskutiert. Über Abfragen im Vorfeld hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, den Inhalt unserer zukünftigen Aufschläge zu diesem Thema mitzugestalten. Wir wollen 2017 eine Gesamtstrategie zur Erweiterung der betrieblichen und unternehmerischen Mitbestimmung veröffentlichen und darin selbstverständlich die formulierten Forderungen von den aktiven Kolleg/innen zur Unterstützung unserer Argumentation aufnehmen.

Niemand kennt die Situation konkret vor Ort in den Betrieben besser als sie, denn Betriebsräte vertreten hier die Interessen der abhängig Beschäftigten direkt gegenüber Arbeitgebern. Die betriebliche Mitbestimmung ist somit als ein Teil des dualen Systems der Interessenvertretung parallel zur Tarifautonomie unverzichtbar, um der Profitlogik der Unternehmen etwas entgegen zu setzen. DIE LINKE setzt sich für starke Gewerkschaften und für starke Betriebsräte ein. Aus unserer Sicht ist es für eine gute und wirkungsvolle Interessenvertretung der Beschäftigten unverzichtbar, dass Betriebsräte sich gewerkschaftlich organisieren und bei ihrem betrieblichen Engagement den Blick über den Tellerrand des eigenen Betriebes oder des eigenen Unternehmens nicht vernachlässigen. Das ist notwendig, damit die Konkurrenz zwischen den Betrieben nicht auf den Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird und sie sich gegeneinander ausspielen lassen, sondern Solidarität organisiert wird.

Union Busting stopppen

Auf die Frage, wie Betriebsräte effektiver vor der Be- und Verhinderungen ihrer Arbeit geschützt werden können, antwortete eine Betriebsrätin: „Gefängnisstrafe für Geschäftsführungen und Vorstände“. Andere Kolleg/innen ergänzten: „Stärkere Sanktionierung und höhere Strafen bei Verstößen gegen das Betriebsverfassungsgesetz“ und „Verankerung des § 119 BetrVG ins Strafgesetzbuch“. Auf Facebook schrieb mir gar ein Kollege, dass „Auspeitschen“ ja leider nicht zur Diskussion steht. Ich finde, dass die Schärfe der Forderungen zugleich auch die tiefe Empörung der Kolleginnen und Kollegen an den Fronten in den Betrieben zum Ausdruck bringt.

Im Gegensatz zu bezahlten Managern werden Betriebsräte von den Beschäftigten gewählt. Aber wer sich für Demokratie im Betrieb einsetzt, lebt gefährlich: Betriebsräte oder Beschäftigte, die einen gründen wollen, werden zunehmend gezielt eingeschüchtert, systematisch kaltgestellt oder direkt gekündigt. Ob im Einzelhandel, der Systemgastronomie oder anderswo: Einige Arbeitgeber wollen betriebsrats- und gewerkschaftsfreie Zonen und hierzu scheint ihnen jedes Mittel Recht. Dazu engagieren sie Rechtsanwaltskanzleien, die die Betroffenen mit Kündigungswellen überschwemmen. Ob diese berechtigt sind oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Dazu beschäftigen sie Detektive, um Betroffene auszuspionieren, um sie in der Betriebsöffentlichkeit zu verunglimpfen. Und dazu beschäftigen sie PR- und Medienagenturen, um dafür zu sorgen, dass von diesen miesen Tricks nichts in der regionalen Presse erscheint, sondern stattdessen darin die Betroffenen diffamiert werden. Im Kern geht es darum, diejenigen Menschen, die sich für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen ihrer Kolleg/innen einsetzen, mürbe zu machen und sie zu brechen.

Gegenwehr stärken

Dabei sind Verstöße gegen die Betriebsverfassung kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat! Allerdings die am wenigsten verfolgte Straftat in Deutschland. Im Betriebsverfassungsgesetz heißt es in § 119: „Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Wahl des Betriebsrats beeinflusst oder dessen Tätigkeit behindert oder stört.“ Ich bin jetzt seit 30 Jahren Gewerkschaftssekretärin, aber ich kenne keinen Arbeitgeber der wegen Betriebsratsbehinderung im Knast gelandet ist. Um Straftaten festzustellen, bräuchten Arbeitsgerichte allerdings Ermittlungskompetenz wie jedes andere Gericht auch. Hier muss der Gesetzgeber handeln: Wir brauchen Schwerpunktstaatsanwaltschaften, um solche Vergehen gezielt zu verfolgen und entsprechend zu ahnden.

Den Bundesregierungen der letzten 20 Jahre verdanken wir neben zwei Klassen von Belegschaften auch zwei Klassen von Betriebsräten. Betriebsräte, die seit Jahrzehnten in Betrieben verankert sind. Und diejenigen Betriebsräte in Betrieben, wo es bisher keine Mitbestimmung gab und die den Allmachtphantasien ihrer Arbeitgeber schutzlos ausgeliefert sind. Politik muss diejenigen schützen, die von ihren Arbeitgebern zum Abschuss freigegeben werden.

Mitbestimmung ausweiten

Unsere Gesellschaft braucht mündige Beschäftigte, kämpferische Mitbestimmung in den Betrieben und Unternehmen und eine selbstbewusste Gewerkschaftsbewegung – heute mehr denn je. Denn es ist das Wesen neoliberaler Wirtschaftspolitik im Kapitalismus, das sich Politik zunehmend aus ihrer Verantwortung zurückzieht und ihre Gesetzgebung ausschließlich auf die Interessen von Vermögenden und Unternehmen ausrichtet. Gerade vor dem Hintergrund einer sich verändernden Arbeitswelt durch die fortschreitende Digitalisierung, macht die Forderung nach mehr Mitbestimmung den alten Konflikt wieder sichtbar: Es geht um den Interessengegensatz zwischen Kapital und Arbeit – um Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten. Und auch bei der Arbeit der Zukunft geht es um die entscheidende Frage, ob Beschäftigte weiterhin nur zuschauen oder eben mitentscheiden können, wer welchen Teil vom Kuchen abkriegt.

von Jutta Krellmann, MdB

Gewerkschaftspolitische Sprecherin und Sprecherin für Arbeit und Mitbestimmung der Fraktion DIE LINKE im Bundestag; Mitglied der Landesarbeitsgemeinschaft „Betrieb & Gewerkschaft“ in DIE LINKE.Niedersachsen

 

Dieser Kommentar ist in der Zeitung betrieb & gewerkschaft der Partei DIE LINKE im Dezember 2016 erschienen.

 

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