Nullnummer der Bundesregierung beim Schutz Fleischindustrie-Beschäftigter

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Gewerkschaftssekretärin kenne ich natürlich viele Betriebe. In der Fleischindustrie waren die Arbeitsbedingungen schon immer sehr, sehr hart und oftmals an der Grenze des Zulässigen. Covid-19 hat die Zustände wie mit einem Brennglas verschärft. Der Skandal ist jetzt über die Medien wieder nach oben gepuscht worden, und ich hoffe, dass er im Bewusstsein der Menschen bleibt.

(Beifall bei der LINKEN)

Was sind die Ursachen? In der Fleischindustrie gibt es einen gnadenlosen Preiskampf, der auf dem Rücken der Beschäftigten und der Tiere ausgetragen wird. Hier lebt der Kapitalismus seine Profitgier in vollen Zügen richtig aus. Die Arbeit im Schlachthof ist körperlich schwer und oftmals monoton. Die Löhne sind extrem niedrig. Es sind hauptsächlich entsandte Arbeitnehmer aus Rumänien oder Bulgarien mit ausländischem Arbeitsvertrag, die, um überhaupt Geld zum Leben für ihre Familien zu verdienen, unter diesen schlimmen Bedingungen arbeiten und leben müssen. Sie werden mit Werkverträgen und niedrigen Löhnen abgespeist. Sogenannte Subunternehmer bieten Leiharbeiter an, und so sind diese miserablen Arbeits- und Entlohnungsbedingungen die Regel. Circa 85 Prozent der Beschäftigten in den Schlachthöfen arbeiten auf Werkvertragsbasis. Das alles hat mit Menschenwürde so viel zu tun wie Edelstahl mit Diebstahl, nämlich nichts.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Entscheidende ist, dass diese Zustände auch schon vor dieser Pandemie bekannt waren, und diese Regierung tat leider nichts, lieber Hubertus Heil.

Ans Tageslicht kommt nun, dass Menschen oftmals zusammengepfercht mit 20 Leuten in einem Raum in miserablen Massenunterkünften wohnen und dafür teilweise auch noch zahlen müssen.

Vor fünf Jahren wurde in der Branche eine Selbstverpflichtung aller Unternehmen über Löhne und Arbeitsbedingungen vereinbart. Aus heutiger Sicht war das eine echte Nullnummer.

(Beifall bei der LINKEN)

Arbeitszeitverstöße und Lohnbetrug finden einfach trotzdem statt. Zur Unterbringung ist in dieser Selbstverpflichtung überhaupt nichts geregelt, und genau das rächt sich heute. Sie müssen mir sagen, wie die Einhaltung von Hygieneregeln und Abstandsregeln dort überhaupt möglich sein soll. Mit diesen skandalösen Bedingungen muss endlich Schluss sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Sofortmaßnahmen der Länder und der Bundesregierung waren okay. Die Probleme in der Fleischwirtschaft sind aber grundsätzlicher. Verdeutlichen möchte ich dies an zwei Beispielen:

Erstens. Während die Finanzkontrolle Schwarzarbeit 2008 826 Arbeitgeber in der Fleischindustrie überprüft hat, waren es 2018 nur noch 332.

Zweitens. Arbeitsschutzkontrollen in Betrieben finden durchschnittlich nur noch alle 25 Jahre statt.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Unfassbar!)

Das ist ein Freibrief für schwarze Schafe. Als Gesetzgeber nicht zu handeln, obwohl die Probleme bekannt sind, grenzt an Körperverletzung.

Die Linke schließt sich den Forderungen der zuständigen Gewerkschaft NGG an. Fünf Sofortmaßnahmen sind nötig: erstens das Verbot von Werkverträgen im Kernbereich der unternehmerischen Tätigkeit,

(Beifall bei der LINKEN)

zweitens Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Arbeits- und Gesundheitsschutz,

(Beifall bei der LINKEN)

drittens klare Regeln für Unterkünfte, viertens eine Begrenzung der Unterkunftskosten und fünftens ein brancheneinheitlicher Mindestlohn.

(Beifall bei der LINKEN)

Arbeits- und Gesundheitsschutz können nicht alleine den Unternehmen überlassen bleiben. Lieber Hubertus Heil, wir werden uns genau anschauen, was die Regierung vorhat.

Es gab schon so viele Ankündigungen. Deswegen werden wir als Opposition unsere Möglichkeiten nutzen, das scharf zu überwachen, damit das Kind nicht wieder auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Brunnen fällt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)