Aktuelle Stunde zur Tarifrunde im öffentlichen Dienst

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit 30 Jahren nehme ich als Gewerkschaftssekretärin an Tarifverhandlungen teil. Ich bin in dieser Diskussion völlig irritiert. Als Bundestagsabgeordnete verstehe ich meine Rolle als die einer Arbeitgeberin. Herr de Mazière ist Verhandlungsführer des Bundes; er ist also nicht irgendjemand. Deswegen müssen wir doch mit ihm reden und mit niemand anderem.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Frieser (CDU/CSU): Das ist grundfalsch, skandalös verkehrt!)

Zwei Forderungen in der Tarifrunde im öffentlichen Dienst liegen mir deshalb besonders am Herzen: erstens die Übernahme der Auszubildenden und zweitens die Abschaffung der sachgrundlosen Befristungen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Eine Übernahme der Auszubildenden ist in vielen Tarifverträgen mittlerweile gängige Praxis, insbesondere in den Industrietarifverträgen. Da muss der öffentliche Dienst unbedingt nachziehen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Auszubildende werden nicht gleich zu Beamten auf Lebenszeit, wenn man ihnen eine Festanstellung garantiert. Alle reden landauf, landab über den Fachkräftemangel. Wieso hält man nicht an denen fest, die man jahrelang teuer ausgebildet hat? Das ist aus meiner Sicht unklug und in der Diskussion um Fachkräftemangel echt schräg.

(Beifall bei der LINKEN)

Entweder haben wir tatsächlich einen Fachkräftemangel – dann brauchen wir die Ausgelernten als qualifiziertes Personal im öffentlichen Dienst -, oder das ganze Gerede vom Fachkräftemangel ist reines Gefasel und Geschwafel, um die Leute gefügig zu machen.

Die zweite Tarifforderung, über die ich sprechen will, ist die Abschaffung der sachgrundlosen Befristungen. Ich weise immer wieder darauf hin, wie auffallend hoch die Befristungsquote im öffentlichen Dienst ist. Können Sie sich vorstellen, was das für die Beschäftigten bedeutet? Dass die CDU/CSU das nicht kann – schade, dass Herr Oellers nicht da ist -, weiß ich aus mehreren Diskussionen. Dabei ist längst klar, dass Befristungen gute Arbeit verhindern.

Sie, liebe SPD, die Sie sich die Forderung nach guter Arbeit immer wieder fett auf Ihre Fahnen schreiben, haben nach dieser Diskussion zwei Möglichkeiten. Erstens: Sie akzeptieren die Notwendigkeit zur Abschaffung der sachgrundlosen Befristungen.

(Mechthild Rawert (SPD): Das ist tausendmal bei uns nachzulesen! – Bernd Rützel (SPD): Das haben wir doch schon oft gesagt!)

Dann lassen Sie uns das endlich machen.

(Beifall bei der LINKEN – Mechthild Rawert (SPD): Lesen bildet!)

Oder zweitens: Sie wissen um die Notwendigkeit der Abschaffung und wollen sie – das sagen Sie jedenfalls immer wieder -, aber kuschen weiterhin vor der CDU/CSU.

(Dagmar Ziegler (SPD): Was heißt hier „kuschen“? Das ist ein Vertrag!)

Auf genau diesen Zirkus haben die Beschäftigten keine Lust mehr. Sie wollen endlich die notwendigen Verbesserungen, zumindest in ihrem Beschäftigungsbereich, durchsetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Kolleginnen und Kollegen mussten das Thema Befristungen auf die Tarifebene heben, weil die Bundesregierung ihrem Wunsch, an dieser Stelle endlich etwas zu machen, nicht nachgekommen ist. Es ist eigentlich Aufgabe des Gesetzgebers, das Problem der Befristungen für alle Beschäftigten zu regeln. Das ist seit Jahren nicht in Ordnung. Seit Jahren diskutieren wir darüber. Dass auf diesem Gebiet nichts passiert, das ist einfach ein Skandal.

Herr Oellers, der, wie gesagt, leider nicht da ist, und die CDU/CSU können sich noch so sehr aufregen. Wir werden dieses Thema immer wieder auf die Tagesordnung setzen, sooft wir nur können. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Die Linke wird so lange Diskussionen über dieses Thema führen, bis die sachgrundlosen Befristungen endlich Geschichte sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Leider stellen auch Arbeitgeber zunehmend Forderungen in Tarifrunden, so auch im öffentlichen Dienst. Die kommunalen Arbeitgeber wollen die tariflich geregelten Betriebsrenten kürzen.

(Mechthild Rawert (SPD): Das ist alles nicht so neu!)

Zur Erinnerung: Die Bundesregierung beabsichtigt die Absenkung des Rentenniveaus bis 2030 auf 43 Prozent, und das für alle Beschäftigten in Deutschland. Wenn jetzt die kommunalen Arbeitgeber daherkommen und die Betriebsrenten kürzen wollen, dann werden die Beschäftigten im öffentlichen Dienst doppelt bestraft: zum einen durch die Absenkung des Rentenniveaus
insgesamt und zum anderen durch die Kürzung der Betriebsrenten. Die Bundesregierung denkt als Gegenstrategie gerade darüber nach, die Betriebsrenten zu stärken. Die kommunalen Arbeitgeber im öffentlichen Dienst machen genau das Gegenteil von dem, was im Moment diskutiert wird. Das geht doch gar nicht. Mit so etwas muss doch Schluss sein. Das läuft doch vollkommen gegeneinander. Das ist gegen die Interessen der Menschen gerichtet.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Ausarbeitung der Leitlinien für gute Arbeit im öffentlichen Dienst können wir hier beeinflussen. Das ist alles eine Frage des politischen Willens. Wenn wir das wirklich wollten, dann könnten wir das auch. Es wäre möglich, dass wir dadurch Verbesserungen für alle Beschäftigten schafften. Bestimmte Tarifforderungen wären eigentlich gar nicht nötig, wenn das Thema gesetzlich längst geregelt wäre.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollegin Krellmann, achten Sie bitte auf die Zeit.

Jutta Krellmann (DIE
LINKE):

Ich wünsche den Beschäftigten im öffentlichen Dienst von meiner Seite aus auf jeden Fall viel Erfolg bei ihrem Versuch, ihre Forderungen durchzusetzen, und ich hoffe, sie bekommen das hin, weil sie das nicht nur für den öffentlichen Dienst, sondern für die Beschäftigten insgesamt machen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)