Befristungs-Irrsinn im öffentlichen Dienst stoppen

Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Mutter hatte sich Anfang der 70er-Jahre gewünscht, dass ich eine Ausbildung im öffentlichen Dienst beginne.

(Michaela Noll (CDU/CSU): Meine auch!)

Damals galt: Wer einen gut bezahlten Job haben will, geht in die Privatwirtschaft; wer einen sicheren Job haben will, geht in den öffentlichen Dienst.

(Bernd Rützel (SPD): Jawohl! So war’s!)

Diese Zeiten sind aber lange vorbei.

(Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Deswegen bist du Abgeordnete geworden!)

– Deswegen bin ich Abgeordnete geworden. Genau! – Heute ist jede zehnte Stelle im öffentlichen Dienst befristet. Das betrifft mehr als eine halbe Million Beschäftigte. Fast die Hälfte von ihnen sind junge Leute im Alter von 25 bis 34 Jahren. Kein Wunder, dass die Arbeit im öffentlichen Dienst gerade für junge Leute immer unattraktiver wird!

Befristung bedeutet eine permanente Unsicherheit und in der Lebens- und Familienplanung ebenfalls keine Sicherheit. Von den über 5 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst geht die Hälfte bis 2030 in Rente. Trotzdem erfolgt heute nahezu jede zweite Einstellung befristet. Wie kurzsichtig handelt dieser Staat eigentlich, wenn er seinen Nachwuchs durch systematische Befristungen bewusst kleinhält?

(Beifall bei der LINKEN)

So, Kolleginnen und Kollegen, kann man sich auch selbst schachmatt setzen.

In der anstehenden Tarifrunde im öffentlichen Dienst verlangen die Gewerkschaften neben einer Lohnerhöhung eine tarifliche Regelung, die Befristungen zum Ausnahmefall macht.

(Herbert Behrens (DIE LINKE): Richtig!)

Am 21. März beginnen die Tarifverhandlungen in Potsdam. Verhandlungsführer für den Bund ist der Bundesinnenminister – ausgerechnet Herr de Maizière! Sein Meisterstück hat er beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgeliefert. Seitdem ist dieses Amt bei chaotischer Personalpolitik und desaströsem Management ganz vorn. In keiner anderen Verwaltung offenbart sich ein so deutliches Staatsversagen, das von ganz oben ausgeht.

(Beifall bei der LINKEN)

Zur Erinnerung: Nachdem der Bundesinnenminister den Leiter des Bundesamts gefeuert hatte, ließ er die strukturellen Ursachen für die Nichtbewältigung der Asylanträge einfach bestehen. Das bedeutete eine bewusste personelle Unterbesetzung bei gleichzeitig rapide wachsenden Aufgaben. Neben einem neuen Leiter müssen jetzt vor allem befristet Beschäftigte die Aufgabe stemmen. Das ist die Antwort auf die Frage, warum ein so zentrales Amt in einer solchen zentralen Frage nicht funktionsfähig ist. Eine derart unfähige Personalpolitik grenzt schon an Sabotage.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Beispiel zeigt eins ganz deutlich: Mit befristet beschäftigtem Personal können zentrale staatliche Anforderungen nicht durchgeführt werden. Das betrifft nicht nur die Beschäftigten des Bundes, sondern auch die der Kommunen. Die kommunalen Arbeitgeber reden angesichts der anstehenden Tarifrunde reflexartig von leeren Kassen. Sie nehmen die Flüchtlingssituation zum Anlass, die Forderung nach mehr Lohn und Gehalt im Vorfeld abzuwehren. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.

Die Beschäftigten in den Verwaltungen machen gerade angesichts der vielen Asylsuchenden in Deutschland einen sehr guten Job und bewältigen die Aufgaben in den Kommunen.

(Beifall bei der LINKEN)

Damit das so bleibt, sind Rahmenbedingungen wichtig, und die werden hier gemacht. Deswegen fordern wir in unserem Antrag die ersatzlose Streichung der sachgrundlosen Befristung.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Befristung zur Erprobung muss ebenso wie die Befristung wegen Zweckbindung von Haushaltsmitteln aus dem Gesetz entfernt werden. Wenn bei demselben Arbeitgeber zweimal aufeinanderfolgend aus sachlichen Gründen befristet wurde, ist von einem unbefristeten Arbeitsbedarf auszugehen. Schluss mit den Kettenbefristungen! Schluss mit den sachgrundlosen Befristungen! Schluss mit dem ganzen Befristungsirrsinn!

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bundesregierung kann in ihren Ministerien und Behörden mit positivem Beispiel vorangehen. Dass der Staat über Jahre hinweg systematisch Personal abgebaut hat, spüren die Menschen in der ganzen Republik. Versuchen Sie mal, einen Termin zu kriegen, um ihren Ausweis zu verlängern.

(Sabine Leidig (DIE LINKE): Oder sich umzumelden!)

– Richtig. – Besonders schlimm ist die Situation im öffentlichen Dienst in Baden-Württemberg. Die Befristungsquote liegt dort deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Das ist ein eklatantes Versagen der Landesregierung Kretschmann. Es ist im ureigenen Interesse von Staat und öffentlicher Verwaltung, dass dort gute Arbeit geleistet wird. Das setzt gute Arbeitsbedingungen und einen guten Verdienst voraus.

Ich bin damals dem Rat meiner Mutter nicht gefolgt und bin stattdessen Gewerkschaftssekretärin und dann Bundestagsabgeordnete geworden. Sie und die Beschäftigten im öffentlichen Dienst können sich aber darauf verlassen, dass wir die Kolleginnen und Kollegen weiterhin unterstützen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)