Bei Humanisierung von Arbeit nicht auf digitalen Wandel warten!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 1 Milliarde Euro wollen Union und SPD für die Forschung in die Arbeitswelt bis 2020 auf den Tisch legen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Daniela De Ridder (SPD): Das ist ja auch klug!)

Die Humanisierung der Arbeitswelt soll erforscht werden. Dabei wird die Digitalisierung besonders in den Blick genommen.

(Dr. Daniela De Ridder (SPD): Was auch klug ist!)

Das ist klasse; das gab es zuletzt in den 80er-Jahren. Dem damaligen Programm verdanken wir zum Beispiel eine verstärkte Diskussion über Lärmschutz und Gruppenarbeit als Form der Arbeitsorganisation in den Betrieben. – So weit, so gut.

Aus meiner Erfahrung als Gewerkschafterin heraus kann ich mich aber daran erinnern, was auf Druck der Arbeitgeber seinerzeit politisch nicht umgesetzt wurde, zum Beispiel die Mitbestimmung der Beschäftigten über ihren Arbeitsplatz und ihre Arbeitsorganisation. So weit ging die Sozialpartnerschaft schon damals nicht; denn immer wenn Unternehmer glauben, dass jemand in ihre
unternehmerische Freiheit und Verfügungsgewalt eingreift, kommt ein klares Nein, und danach passiert dann politisch nichts mehr. Das kritisieren die Gewerkschaften bis heute.

Das aktuell geplante Forschungsvorhaben der Bundesregierung wird sich also daran messen lassen müssen, ob zentrale Ergebnisse diesmal umgesetzt werden. Ich muss aber ehrlich sagen: Daran habe ich meine Zweifel.

Die Arbeitgeberverbände haben ihre Vision zur Arbeit der Zukunft längst auf den Tisch gelegt. Auf dem Spiel stehen mal wieder Arbeitnehmerschutzrechte, wie der Kündigungsschutz, aber auch der Achtstundentag und das Renteneintrittsalter. Wenn das so kommt, dann zahlen die Beschäftigten mal wieder die Zeche der ganzen Sache.

Die jungen Menschen, die heute ihren Start ins Berufsleben haben, sind die Generation, die ihr Leben in einer neuen digitalen Welt gestalten muss. Wie sehen deren Zukunft und heutige Situation schon aus? Zum Einstieg in den Arbeitsmarkt werden gerade junge Menschen bis 25 Jahre mit einer Menge prekärer Arbeitsbedingungen konfrontiert, denen sie ausgesetzt sind. Jeder Vierte bekommt nur einen befristeten Arbeitsplatz oder einen Minijob, und fast die Hälfte arbeitet im Niedriglohnbereich.

Wie prekär und besorgniserregend die Situation junger Menschen ist, können wir also schon heute sehen. Dazu brauchen wir eigentlich kein Forschungsprogramm.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Menschen können schon heute von ihrer Arbeit nicht mehr leben, und Sie schauen einfach zu, obwohl Sie das alles schon wissen. Deswegen stellt sich für uns eine völlig andere Frage: Wird der digitale Wandel zu einer weiteren Verschärfung der bereits existierenden Probleme und Belastungen von Beschäftigten führen oder nicht?

Es gibt schon heute zu viele Ausnahmen von der Regel. Deswegen befürchte ich, dass die Bundesregierung die Forschungsergebnisse, durch die die Arbeitnehmerrechte gestärkt oder ausgeweitet werden sollen, im Zweifel einfach ignorieren wird.

(Sven Volmering (CDU/CSU): Das ist doch Quatsch!)

– So war das schon damals vor 40 Jahren, und Sie müssen nicht sagen, das sei Quatsch. Sie müssen einfach einmal schauen, was damals passiert ist.

Ich glaube nicht mehr, dass SPD und CDU/CSU ein ernsthaftes Interesse daran haben, die Arbeitnehmerrechte zu stärken. Sie sagen zwar, dass Sie etwas für Beschäftigte machen, aber am Ende kommt immer nur heiße Luft dabei heraus.

(René Röspel (SPD): Nein, dafür sind die Linken zuständig!)

Immer wenn Sie etwas für die Beschäftigten regeln, bauen Sie eine Hintertür ein, ein Einfallstor für Arbeitgeber, damit die Ihre Regeln vom ersten Tag an ignorieren und unterwandern können. Dazu ein Beispiel: Ein Mindestlohn war notwendig und musste eingeführt werden. Millionen Beschäftigte sind heute darauf angewiesen.

(René Röspel (SPD): Die Linken haben nicht mitgestimmt!)

Nach langem Druck – auch von uns – haben Sie einen Mindestlohn eingeführt,

(René Röspel (SPD): Sie haben nicht mitgestimmt!)

aber nur mit Ausnahmen, verdammt noch mal.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Willi Brase (SPD): Erzählen Sie das den 4 Millionen, die den Mindestlohn jetzt haben!)

Diese Ausnahmen betreffen gerade junge Beschäftigte. Praktikanten und Jugendliche unter 18 Jahren sind junge Menschen, nichts anderes.

Seit zwei Jahren warten wir nun schon darauf, dass Sie ernst damit machen, den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen einzudämmen. Wann kommt das endlich? Wann passiert jetzt endlich mal was?

Ihr Antrag ist ein notwendiger Schritt in die richtige Richtung.

(Sven Volmering (CDU/CSU): Hört! Hört!)

Die Digitalisierung kann eine Chance für unsere Gesellschaft sein, zu einer Humanisierung der Arbeitswelt zu kommen. Aus unserer Sicht fehlt in Ihrem Antrag aber absolut, an den realen Problemen anzusetzen, denen die Beschäftigten schon heute ausgesetzt sind.

Deswegen kann ich Sie nur bitten: Stimmen Sie unserem Antrag zu, damit genau dieser Teil in das Projekt mit eingeführt wird und eine Rolle spielt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)