Arbeitslosengeld statt Hartz IV – Zugang zu Arbeitslosenversicherung erleichtern

14.06.2012

Seit der Einführung der Hartz-Gesetze vor knapp zehn Jahren hat die Arbeitslosenversicherung einen großen Teil ihrer Schutzfunktion eingebüßt.


Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit rutscht inzwischen jeder vierte Erwerbslose direkt in Hartz IV. Besonders betroffen sind Beschäftigte mit kurzen, befristeten Arbeitsverhältnissen.
Die Ursachen dafür liegen einerseits in der Zunahme von prekären Jobs. Für prekär Beschäftigte ist es oft schwer, die erforderlichen Versicherungszeiten zu erwerben. Oft zahlen sie so in die Arbeitslosenversicherung ein, erhalten aber im Falle des Jobverlustes kein Arbeitslosengeld.


Verschärft wird diese Problematik durch Einschnitte in die Arbeitslosenversicherung, die ebenfalls mit den Hartz-Gesetzen vorgenommen wurden. So wurde der Zeitraum verringert, in dem Beschäftigte Ansprüche auf Arbeitslosengeld I erwerben können. Die sogenannte Rahmenfrist sank von drei auf zwei Jahre.
Zugleich schaffen es viele Beschäftigte nicht, die erforderlichen zwölf Monate sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zusammen zu bekommen, die für den Bezug des regulären Arbeitslosengeldes I nötig sind.


Wegen diesem Problem wurde schon unter der Großen Koalition eine Sonderregelung für kurzeitig Beschäftigte eingeführt. Sie sollte es den Betroffenen ermöglichen, unter bestimmten Voraussetzungen bereits mit einer Versicherungszeit von sechs Monaten bzw. 180 Tagen, Ansprüche auf das Arbeitslosengeld I zu erwerben. Diese Regelung hat sich aber als unzureichend erwiesen. Nach dieser Sonderregelung wurde in den zurückliegenden Jahren nur etwa jeder dritte Antrag genehmigt.


Denn die Zugangsbedingungen zu dieser Sonderregelung sind sehr restriktiv. So dürfen die Beschäftigten überwiegend nur Jobs ausüben, die sechs Wochen oder weniger dauern. Zudem dürfen sie nicht mehr als 2.625 Euro Brutto im Monat verdienen.
Diese restriktiven Sonderregelungen führen dazu, dass viele Beschäftigte zu kurz beschäftigt sind, um reguläres Arbeitslosengeld I zu beziehen, aber zu lang beschäftigt sind, um das Arbeitslosengeld I nach der Sonderregelung beziehen. Sie fallen durch diese Lücke.
Der Verband der Film- und Fernsehschaffenden machte vor einiger Zeit darauf aufmerksam, dass es in dieser Branche jeden Dritten Beschäftigten betrifft, der seine Anstellung verliert.


Es geht hier aber nicht um eine spezielle Berufsgruppe, sondern um ein generelles Problem. Ein Problem, das durch die Zunahme prekärer Beschäftigung insgesamt an Bedeutung gewonnen hat.
Nehmen wir das Beispiel der Leiharbeitskräfte. Die Hälfte von ihnen ist weniger als sechs Monate beschäftigt. War zum Beispiel ein Leiharbeiter in den zurückliegenden zwei Jahren einmal vier Monate und einmal sechs Monate beschäftigt, fällt er im Falle der Arbeitslosigkeit sofort in Hartz IV. Er hat insgesamt keine 12 Monate Versicherungszeit für das reguläre Arbeitslosengeld erworben, war aber mit mehrmonatigen Arbeitsverträgen zu lange beschäftigt, um das Arbeitslosengeld für Kurzzeitig Beschäftigte zu erhalten.

Dieser Zustand ist nicht zu akzeptieren. Die Änderungen, die die Regierung jetzt anstrebt, sind nur Flickschusterei.

DIE LINKE will die Schutzfunktion der Arbeitslosenversicherung wieder stärken. Dazu ist die Rahmenfrist zum Erwerb von Arbeitslosengeld-I-Ansprüchen wieder auf drei Jahre zu verlängern. Für Beschäftigte mit überwiegend kurzen Beschäftigungsverhältnissen sind die Zugangsbedingungen zum Arbeitslosengeld I darüber hinaus in der Art zu erleichtern, dass die im § 123 SGB III enthaltene Beschäftigungsbedingung gestrichen und die Verdienstgrenze abgeschafft wird.


SPD und zum Teil auch Grüne haben ähnlich lautende Anträge vorgelegt. Es freut uns, dass hier die Fehler korrigiert werden sollen, die Rot-Grün mit den Hartz-Gesetzen begangen wurden.
Leider kommt dieser Wandel zu spät. Denn nun haben wir für diese richtigen und notwendigen Korrekturen keine parlamentarische Mehrheit.


Die Zukunft wird es zeigen, ob es uns gelingt, dies zu ändern und ob SPD und Grüne dann ebenfalls noch zu ihrem Wort stehen.

 

Rede (zu Protokoll) von Jutta Krellmann im Deutschen Bundestag vom 14. Juni 2012