Fleischindustrie: Regierung verschließt die Augen vor dem Elend
05.07.2019Zusammenfassung:
Beschäftigte in der Fleischindustrie haben 2017 durchschnittlich über ein Drittel weniger (- 36 %) gegenüber der Gesamtwirtschaft verdient, 2008 lag die Differenz noch bei 34 Prozent. Männer in der Fleischindustrie verdienen durchschnittlich 34 % weniger als in der Gesamtwirtschaft, Frauen 37 % weniger. Die Einkommen in der Fleischindustrie sind von 2008 auf 2017 weniger stark gestiegen als in der Gesamtwirtschaft (+ 17,3 % zu 21 %). Während die Einkommen der Frauen in der Branche mit 26 Prozent annähernd so stark gewachsen sind wie in der Gesamtwirtschaft (+30 %), sind die Einkommen der Männer lediglich um 8,8 Prozent angestiegen.
Die Zahl der Beschäftigten in der Fleischindustrie steigt kontinuierlich an. In der Gesamtbranche ist die Zahl der Beschäftigten von 2008 bis 2018 um knapp 4 Prozent angestiegen. Im Teilbereich der Schlachthöfe lag der Anstieg bei etwa einem Viertel, während er im Teilbereich Fleischverarbeitung annähernd konstant blieb. Dagegen ist die Anzahl der Auszubildenden im selben Zeitraum um knapp 60 Prozent zurückgegangen.
Der Anteil der Beschäftigten in der Fleischindustrie ohne deutschen Pass hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdreifacht (+219 %). Lag der Ausländeranteil 2008 bei 13 Prozent, stieg er bis 2018 auf 28 Prozent an. In den Schlachthöfen war 2018 knapp jeder zweite Beschäftigte Ausländer, in der Fleischverarbeitung jeder Fünfte. Ob diese Personen als entsandte Arbeitnehmer zum Beispiel aus osteuropäischen EU-Ländern nach Deutschland geschickt wurden, kann die Bundesregierung nicht beantworten, hierüber lägen keine ausreichenden Daten vor.
Beschäftigte in der Fleischindustrie ohne deutschen Pass sind mit einem Anteil von 17 Prozent häufiger befristet beschäftigt, im Vergleich zu den Beschäftigten insgesamt (Deutsche und Ausländer) mit einem Anteil von 6,3 Prozent. Von den 2017 in der Branche begonnen Beschäftigungsverhältnissen waren 41 Prozent befristet, bei den Ausländern mehr als die Hälfte (+51 %). Ausländer arbeiten in der Branche häufiger am Abend, in der Nacht und in Schichtarbeit.
Insgesamt ist die Datenlage über die Personen, die in der Fleischindustrie arbeiten, unvollständig, wie die Bundesregierung einräumt. Ihr liegen beispielsweise keine Daten über Leiharbeitnehmer und Werkvertragsbeschäftigten vor. Ein Gutachten im Auftrag des BMAS habe 2017 ergeben, dass eine valide Erfassung der quantitativen Bedeutung von Werkverträgen mit den derzeit verfügbaren Daten nicht möglich sei. Eine Erhebung spezifischer Werkvertragsformen für einzelne Branchen oder Wirtschaftszweige hält die Bundesregierung aus wirtschaftlichen Gründen für nicht sinnvoll.
O-Ton Jutta Krellmann, MdB, Sprecherin für Mitbestimmung und Arbeit, DIE LINKE im Bundestag:
„Schlechte Bezahlung, miese Arbeitsbedingungen und ein unglaublich harter Job: dabei können wir nur einen kleinen Teil des Elends in der Fleischindustrie sehen. Was die amtliche Statistik zeigt, ist schlimm genug. Die Selbstverpflichtungen der Branche bringen kaum etwas. Männer aus Osteuropa schuften für wenig Geld, damit die Profite der Fleischkonzerne sprudeln. Dabei werden viele tausend Beschäftigte mit Werkverträgen von der amtlichen Statistik gar nicht erfasst. So können die Behörden die Augen vor der Misere verschließen. Die Bundesregierung muss Verantwortung übernehmen und Scheinwerkverträge verbieten. Dafür brauchen wir eine Beweislastumkehr: Arbeitgeber haben nachzuweisen, dass es in ihrem Betrieb keine Scheinwerkverträge gibt, die Kernarbeit ersetzen. Der Staat muss endlich überwachen, dass die Arbeitgeber alle Schutzgesetze einhalten. Deshalb brauchen wir mehr Kontrollpersonal bei Zoll, Arbeitsschutzbehörden und Gewerbeaufsicht“.
Hier geht es zur Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage
Hier findet ihr die Auswertung der kleinen Anfrage mit meinem O-Ton
Hier findet ihr einen Beitrag in der Hannoversche Allgemeine