Flughafen Berlin Brandenburg: Lohndumping durch Werkverträge und Subunternehmer
25.06.2012Auswertung Kleine Anfrage 17/9701 "Umgang mit Werkverträgen und Subunternehmertum am Flughafen Berlin Brandenburg International"
Jutta Krellmann, Sprecherin für Arbeit und Mitbestimmung der Bundestagsfraktion DIE LINKE, erklärt anlässlich der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE: "Im Baubereich sind Werkverträge gang und gäbe
und hier zeigt sich, wie undurchsichtig die Vergabe von Aufträgen über
Werkverträge ist und wie einfach es wird, dadurch Lohndumping und
Verstöße gegen das Arbeitsrecht zu verdecken. Die
Flughafenbetreibergesellschaft, die zu jeweils ungefähr einem Drittel
dem Bund und den Ländern Berlin und Brandenburg gehört, delegiert so
Lohndumping und Arbeitsrechtsverstöße nach unten. Abgeschlossene und
unterschriebene Vereinbarungen über den Einhalt von Mindeststandards mit
diesen Werkvertragsfirmen dienen offensichtlich nur der Absicherung der
Betreibergesellschaft. Wirksam gemacht hat sie bisher keine der
Vereinbarungen gegen Unternehmen, die sie beauftragt hat.
Die genannten Zahlen, allein für Unternehmen mit dem Sitz in
Westbrandenburg (Zuständigkeitsgebiet des Hauptzollamts Potsdam), bilden
nur eine Spitze des Eisbergs ab. Sie zeigen aber welches Ausmaß an
Vergehen sogar auf eine Baustelle von einem öffentlichen Auftraggeber
möglich ist. Von Einzelfällen kann jetzt nicht mehr die Rede sein.
Es ist erschreckend, dass die Bundesregierung als Miteigentümerin der
Betreibergesellschaft, offensichtlich abgefragte Informationen
zurückhält, wie ein Vergleich mit der Anfrage an den Berliner Senat von
2010 ergibt."
Das Wichtigste zusammengefasst:
1. Die Bundesregierung sagt weniger, als sie weiß. Das beweist der
Blick auf die Anfrage des Berliner Abgeordnetenhauses aus dem Jahre 2010
(16/14608). Die Bundesregierung gibt an, "Aufzeichnungen zur Erledigung
von Bußgeldverfahren liegen nicht vor." Dabei war es bei einer Kleinen
Anfrage aus dem Berliner Abgeordnetenhaus noch möglich, detaillierte
Angaben zum Ausgang von Ordnungswidrigkeitsverfahren im Zusammenhang mit
dem Bau des BER zu machen. Grund für die Unmöglichkeit der Auskunft sei
der Datenschutz.
2. Die Anzahl der Verfahren muss immens sein, wenn allein 55
Strafverfahren gegen Unternehmen mit Sitz in der westlichen Hälfte
Brandenburgs oder mit keinem Sitz in Deutschland eingeleitet wurden. Das
Gerede von "Einzelfällen" (anlässlich der von der DGB-Beratungsstelle
für entsandte Beschäftigte aufgedeckten Fälle) lässt sich nicht aufrecht
erhalten. Die tatsächlichen Zahlen dürften weit höher sein, denn
bekanntermaßen haben auch viele Unternehmen, die auf der Baustelle des
Großflughafen tätig sind, ihren Sitz in Ostbrandenburg, in Berlin oder
dem Rest der Bundesrepublik.
3. Die Sanktionsinstrumente des Vergaberechts werden nicht genutzt.
Obwohl gegen 55 Arbeitgeber an der BER-Baustelle - davon in zwei Fällen
auch gegen unmittelbare Auftragnehmer der Flughafengesellschaft
- strafrechtliche Ermittlungen liefen, hat die Flughafengesellschaft
die vergabe-/zivilrechtlichen Instrumente wie Vertragsstrafen,
Kündigungen oder Auftragssperren nicht genutzt. Angeblich mangels
"Anhaltspunkten". Diese wären vom Zoll sicher leicht zu bekommen
gewesen.
4. Es wurde zu wenig kontrolliert. Die Anzahl der Tage im Jahr, an
denen kontrolliert wurde ist erst langsam gestiegen (erst 2010 und 2011
wurden an 27 bzw. 25 Tagen im Jahr Kontrollen durchgeführt). In den
Jahren 2007 bis 2009 wurden nur an sechs bis elf Tagen Kontrollen
durchgeführt. Erst 2012 (die Zahlen bilden das erste Quartal ab) stieg
die Zahl der kontrollierten Unternehmen und der befragten Beschäftigten
deutlich. Insgesamt waren bisher 52.764 verschiedenen Menschen, die
einen Baustellenausweis bekamen, auf der Baustelle beschäftigt (nicht
einbezogen sind Beschäftigte, die mit "Busausweisen" auf das
Baustellengelände kamen, siehe Kontraste-Beitrag vom 12.4.2012). Es ist
davon auszugehen, dass mehr Kontrollen, auch deutlich mehr Verstöße zu
Tage gefördert hätten.
Strafverfahren
Bei der nachfolgend aufgelisteten Anzahl der Verfahren wurden nur
Angaben zu den Verfahren gegen Firmen mit Sitz im Zuständigkeitsbereich
des Hauptzollamts Potsdam oder keinem Sitz in der Bundesrepublik
gemacht. Dieser Zuständigkeitsbereich umfasst Westbrandenburg (siehe
Karte unten), sowie Firmen, die keinen Sitz in der Bundesrepublik haben,
aber deren Tätigkeitsort im Zuständigkeitsbereich des Hauptzollamtes
liegt:
- 8 Verfahren gem. Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung;
- 13 Verfahren wegen etwaiger Verstöße gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz;
- 28 Verfahren wegen § 266a StGB (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt/Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen), davon 2 Verfahren wegen Scheinselbstständigkeit;
- 70 Verfahren wegen Verstößen gegen § 263 StGB (Betrug)
Ergibt in Summe 119 Verfahren. Auf die Berliner Anfrage von 2010 wurde
geantwortet, dass von 2007 bis Juni 2010 91 Verfahren eingeleitet
wurden. Von den vom Hauptzollamt (HZA) Potsdam seit 2007 eingeleiteten
Verfahren wurden 33 aus verschiedensten Gründen eingestellt. In 17
Fällen wurden Geldstrafen und in 10 Fällen Freiheitsstrafen verhängt.