Krise bei der Arbeitsschutzkontrolle. Anzahl der Betriebsbesichtigungen halbiert sich.

06.05.2020

Auswertung der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Entwicklung der Arbeitsschutzkontrollen in Deutschland“ (BT-Drs. 19/17409) von Jutta Krellmann u.a. und der Fraktion DIE LINKE im Bundestag

Zusammenfassung:

Die Anzahl der Betriebsbesichtigungen ist von 332.199 in 2008 auf 167.270 in 2018 gesunken, was einem Rückgang von 49,6 % entspricht. Der Abstand zwischen zwei Besichtigungen ist von durchschnittlich 11,8 Jahren in 2008 auf 25 Jahre in 2018 gestiegen. In Hessen mit 41, Jahren, Schleswig-Holstein mit 45,5 Jahren und dem Saarland mit durchschnittlich 47 Jahren sind die Abstände besonders groß.

Das Verhältnis der aktiven Überwachungstätigkeit im Verhältnis zur reaktiven Überwachungstätigkeit ist von 48% in 2008 auf 36 % in 2018 gesunken. Die meisten Bundesländer sind beim Arbeitsschutz vorwiegend reaktiv tätig. Kein Bundesland ist vorwiegend aktiv tätig.

Die Gesamtzahl der AufsichtsbeamtInnen ist von 3212 Vollzeiteinheiten in 2008 auf 3.187 in 2018 gesunken. Davon hatten in 2018 46 % keine Arbeitsschutzkernaufgaben. Die Anzahl der Betriebsstätten ist im selben Zeitraum um 6,8 % und die Anzahl der Beschäftigten im Kontrollbereich der Arbeitsschutzbehörden um 17 % gestiegen. Gleichzeitig hat eine Expansion der Aufgaben der Arbeitsschutzbehörden stattgefunden.

Nach Aussage der Bundesregierung hat in den letzten ca. 15 Jahren ein Personalabbau im Bereich der Arbeitsschutzaufsicht stattgefunden. Die Überwachung im Arbeitsschutz befinde sich in einer kritischen Gesamtsituation.

In der Mehrzahl der Bundesländer sind mehr als 50 % der ArbeitsschutzinspektorInnen über 50 Jahre alt. Die Anzahl der neu ausgebildeten AufsichtsbeamtInnen ist von 2008 bis 2017 um 5,1 % zurückgegangen.

Im Handel ist Anzahl der Betriebsbesichtigungen von 2008 bis 2018 um 61 % und damit am stärksten im Vergleich zu anderen Leitbranchen zurückgegangen. Die Anzahl der Beanstandungen sank um 52 % und die Anzahl der Anordnungen um 6 %. Der Abstand zwischen zwei Betriebsbesichtigungen ist im Vergleich ebenfalls am stärksten, um 178 % auf 29,7 Jahre in 2018 im Gegensatz zu 10, 7 Jahren in 2008 gestiegen.

Abgesehen von den Beschlüssen der Arbeits- und Sozialministerkonferenz im November 2019 sieht die Bundesregierung keinen zusätzlichen Handlungsbedarf.

O-Ton Jutta Krellmann, MdB, Sprecherin für Mitbestimmung und Arbeit für DIE LINKE im Bundestag:

„Die Kontrollen im Arbeitsschutz werden seit Jahren kaputtgespart. Die Betriebe werden sich selbst überlassen. Der Staat ist der Meinung, er könne diese Aufgabe den Unternehmen überlassen. Für die Beschäftigten ist das ein Glücksspiel, auf Kosten ihrer Gesundheit.

Die Corona-Pandemie ist ein Brandbeschleuniger für die Mängel des Kontrollsystems. Es ist empörend, dass gerade Branchen wie der Handel davon betroffen sind. Die KollegInnen vor Ort sichern die Versorgung für alle Bürgerinnen und Bürger. Aber niemand kann ihnen garantieren, dass auch ihre eigene Gesundheit ausreichend geschützt ist. Wertschätzung gegenüber den Beschäftigten muss anders aussehen. Der Arbeits- und Gesundheitsschutz der Beschäftigten hat in der Corona-Pandemie höchste Priorität zu haben. Die Bundesregierung geht bislang über Empfehlung nicht hinaus. Richtig wäre, dass Betriebe erst dann öffnen dürfen, wenn sie die Arbeitsschutzstandards erfüllen. Die Länder brauchen endlich ausreichende Mittel, um die Einhaltung zu kontrollieren.“

Hier findet ihr die Kleine Anfrag

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