LOHNDRÜCKEREI DURCH WERKVERTRÄGE STOPPEN

19.04.2012

Wenn die Regierung sich derzeit für das so genannte deutsche Jobwunder feiert, müssen sich wohl vor allem die vielen Beschäftigten wundern, die mit Niedriglöhnen und unsicheren Arbeitsverhältnissen über die Runden kommen müssen. Jede und jeder vierte Beschäftigte arbeitet inzwischen im Niedriglohnbereich, erhält weniger als 6,68 Euro im Westen oder 6,52 Euro im Osten pro Stunde. Die Spaltung des Arbeitsmarktes schreitet weiter voran – beschleunigt durch Euro- und Wirtschaftskrise – und das ist nun wirklich kein Grund zum Feiern.

 

Dabei sind die Gründe für das Abrutschen in die Billigjobs seit Langem bekannt: Noch immer fehlt ein flächendeckender Mindestlohn. Noch immer wurde die von Rot-Grün vor zehn Jahren durchgesetzte Deregulierung des Arbeitsmarktes nicht zurückgenommen. Im Gegenteil, die Möglichkeiten das Tarifsystem zu untergraben werden immer vielfältiger, die Phantasie von Unternehmern und ihren Beratern ist dabei grenzenlos und die Regierung sieht tatenlos zu. Das neueste Beispiel hierfür ist der Missbrauch von Werkverträgen.

 

Werkverträge in ihrer ursprünglichen Form kennt eigentlich jeder von uns. Jedes Mal wenn wir einen Handwerker bestellen oder wenn wir das Auto reparieren lassen, dann nehmen wir für kurze Zeit eine fremde Arbeitsleistung in Anspruch und zwar über einen Werkvertrag. Der >Werkunternehmer< verpflichtet sich dann zur Herstellung eines bestimmten >Werkes<. Er wird nicht nach Zeit, sondern nach Erfüllung des Auftrages bezahlt.

 

Seit einiger Zeit jedoch wird die Konstruktion des Werkvertrages auch von Unternehmen genutzt, um ihre Stammbelegschaften zu reduzieren und Löhne zu drücken. Sie lagern Arbeiten aus ihrem festen Betriebsablauf an Fremdfirmen, so genannten Industriedienstleistern, aus, die diese dann mit ihren Beschäftigten erledigen. Die Fremdfirmen entlohnen die Beschäftigten in der Regel deutlich unter dem Tarifniveau der Stammbeschäftigten. Auch Mitbestimmungsrechte und andere tarifliche Regelungen, wie Arbeitszeit, Urlaub etc. gelten für diese Werkvertragsbeschäftigten nicht.

 

Wie unmenschlich das ist, wird dadurch deutlich, dass die Unternehmen den Einkauf dieser >Werke< als >Sachkosten< deklarieren können. Menschen werden zu Materialkosten und wie diese abgerechnet. Und das in steigender Zahl: Nach einer Betriebsrätebefragung im Elektro- und Metallbereich im Frühjahr des letzten Jahrs nutzen bereits 34 Prozent der Betriebe Werkverträge zum Abbau von Stammbelegschaften. Der jüngsten Umfrage der Gewerkschaft >Nahrung Genuss Gaststätten< (NGG) zufolge sind in der Ernährungsindustrie schon 57 Prozent der Beschäftigten über einen Werkvertrag tätig, ein Anstieg von zehn Prozent innerhalb von zwei Jahren.

 

Es gibt vor allem zwei Gründe für die massive Ausweitung dieser „neuen“ prekären Beschäftigungsform. Die Unternehmen reagieren damit auf den schlechten Ruf der Leiharbeit. In den letzten drei Jahren ist es einer breiten Koalition aus Gewerkschaften, betrieblichen Interessenvertretungen und auch der LINKEN gelungen, die öffentliche Meinung bei diesem Thema zu  bewegen. Ein anderer Grund besteht darin, dass es eben durch die öffentliche Skandalisierung auch einige Regulierungen bei der Leiharbeit gab, neben Betriebsvereinbarungen auch einen, wenn auch viel zu niedrigen, Branchenmindestlohn. Werkverträge bieten die Möglichkeit, diese Regulierungen zu umgehen und die Beschäftigten noch billiger in prekäre Jobs an den Rand der Belegschaften zu drängen.

 

Die LINKE hat sich als erste Fraktion diesem Problem angenommen und fordert eine strikte gesetzliche Regulierung. Auf einem von GewerkschafterInnen und WissenschaftlerInnen besuchtem Hearing im Dezember 2011, diskutierte die Fraktion wirksame Gegenstrategien. Ein Knackpunkt hierbei ist die Identifizierung der sogenannten Scheinwerkverträge. Diese liegen dann vor, wenn die Beschäftigten in den Betrieben der Entleiher eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach deren Weisungen ausüben, genauso wie die dort Festangestellten.

 

Der Umstand aber bleibt, dass Werkvertrags- von Leiharbeit immer noch schlecht abzugrenzen ist und die Unternehmen hier eine Grauzone austesten können. Die LINKE fordert deshalb, auf gesetzlichem Weg Vermutungsregeln einzuführen. Erfüllt eine Tätigkeit ein bestimmtes Merkmal, muss das Vorliegen eines Leiharbeitsverhältnisses vermutet werden. Der auftragsgebende und der auftragsnehmende Betrieb erhalten die Möglichkeit das Gegenteil zu beweisen. Damit würde eine Umkehr der Beweislast erfolgen.

 

Neben schärferen Kontrollen bei der Ahndung von Schweinwerkverträgen und mehr Mitbestimmungsrechten der Betriebsräte bleibt es aber ebenso unverzichtbar, bei allen Leiharbeits- und Werkvertragsverhältnissen endlich den Equal-Pay-and-Treatment-Grundsatz gesetzlich fest zu legen – gleiche Bezahlung und gleiche Arbeitsbedingungen! Dafür gilt es jetzt zu einzutreten, zu streiten und zu streiken – die LINKE jedenfalls lässt hier nicht locker.

Erscheint in der Mai-Ausgabe der Zeitung Betrieb & Gewerkschaft.