Meine Rede im Bundestag zu Leiharbeit

12.03.2012

Jutta Krellmann (DIE LINKE):

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit nahezu zehn Jahren entwickelt sich die Leiharbeit in Deutschland negativ. Dank der Aufweichung von Rot-Grün wurde das Prinzip „Gleiches Geld für gleiche Arbeit" gesetzlich unterlaufen. Leiharbeit wurde zu einem Massenphänomen.

Seitdem versuchen wir, die Leiharbeit wieder in den Griff zu bekommen. Wenn ich mir anschaue, welche Konsequenzen Leiharbeit für die Menschen hat, werde ich regelrecht wütend. Mittlerweile kratzt die Zahl der Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer an der Millionenmarke. 120 000 von ihnen müssen ihr Gehalt mit staatlicher Unterstützung aufstocken. Kaum Geld zum Leben und die Angs, wieder keinen dauerhaften Job zu finden - das ist Alltag für diese Menschen. Die Zahlen sind deutlich: Der angebliche wirtschaftliche Aufschwung Deutschlands - in einer Zeit, in der europaweit die Arbeitslosenzahlen steigen - ist vor allem ein Aufschwung in der Leiharbeit. Noch im letzten Monat verzeichnete die BA die meisten offenen Stellen im Bereich der Leiharbeit - mehr als im Handel, im Gesundheits- und Sozialwesen und im verarbeitenden Gewerbe zusammen.

Ich weiß nicht, wie Sie darüber denken; ich jedenfalls möchte nicht an der Ausbeutung meiner Mitmenschen beteiligt sein. Wir müssen das alte Gerede von einem Job um jeden Preis endlich durch eine strukturelle Diskussion über gute Arbeit ersetzen. Die Linke will sich mit der Leiharbeit nicht abfinden und fordert deshalb ein Ende dieser menschenverachtenden Form der Erwerbsarbeit.Mit dieser Forderung stellen wir uns an die Seite von über 90 Prozent der Bevölkerung, die die unterschiedliche Bezahlung von Beschäftigten mit gleicher Tätigkeit innerhalb eines Betriebes für falsch halten.

Wir müssen aufhören, uns von den Wirtschaftsverbänden vor den Karren spannen zu lassen; denn diese haben Leiharbeit als strategisches Instrument zum Lohndumping und zur Spaltung von Belegschaften genutzt.

Nach den völlig unzureichenden gesetzlichen Änderungen im vergangenen Jahr entdeckt die Wirtschaft jetzt Werkverträge als einen neuen Weg zum Billiglohn. Das ist eine richtige Sauerei!

Leiharbeit, Werkverträge und Befristungen haben eine doppelte Disziplinierungsfunktion gegenüber Beschäftigten, Gewerkschaften und Erwerbslosen. Selbst wenn wir Equal Pay zurückerobert hätten: Leiharbeitnehmer hätten immer noch einen anderen Status als Festangestellte und müssten wie befristet Beschäftigte Sorge haben, dass sie nicht weiterbeschäftigt oder übernommen werden, insbesondere dann, wenn sie den Mund aufmachen und sich für ihre Rechte einsetzen.


Leiharbeit besser zu regeln und Equal Pay einzuführen, wäre ein wichtiger erster Schritt. Wenn man aber zu einer guten, angstfreien Arbeit kommen will, dann muss man Leiharbeit abschaffen.Denn nur auf diesem Wege untersagt man es den Arbeitgebern, Leiharbeit als Instrument zur Disziplinierung von Beschäftigten und zur Spaltung von Belegschaften zu nutzen. Wer einen Leiharbeitsjob nicht annehmen will, dem droht Hartz IV als weiteres Disziplinierungsinstrument.
Daher werden wir auch in Zukunft alles daransetzen, dass Leiharbeit bald nur noch an einem Ort zu finden ist - in den Geschichtsbüchern. Ich sage Ihnen: Sie werden uns unsere Hoffnung, dass sich hier etwas ändert, nicht nehmen.