Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur Leiharbeit ist die Große Koalition in der Pflicht
11.12.2013Vor der Bundestagswahl staunte
Kanzelerin Angela Merkel mächtig als Betriebsrat Christian G. ihr in der
Wahl-Arena des Erstens erklärte, dass er bereits seit 2003, also seit zehn
Jahren, ununterbrochen als Leiharbeiter für das gleiche Unternehmen arbeitet. Doch
ein Einzelfall ist der jahrelange Dauereinsatz nicht. Das zeigt auch die vom
Bundesarbeitsgericht verhandelte Klage eines IT-Sachbearbeiters, der von 2008
bis 2011 als Leiharbeiter in einer Klinik beschäftigt war.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG)
hat in dem Fall nun entschieden, dass auch nach jahrelangem Leiharbeitseinsatz
in einem Betrieb kein Anspruch auf Festanstellung in dem Entleihbetrieb entsteht,
weil der Gesetzgeber bewusst keine Sanktionen für dauerhafte Leiharbeit
definiert hat. So erklärt das BAG in seiner Presserklärung zur
Urteilsverkündung: „Angesichts der Vielzahl möglicher Sanktionen obliegt deren
Auswahl dem Gesetzgeber und nicht den Gerichten für Arbeitssachen." Sollen
jetzt nicht zehntausende Leiharbeiter in die Röhre gucken, muss die angehende
Große Koalition schnell handeln. Doch die im Koalitionsvertrag vorgesehen
Maßnahmen reichen nicht, um dem Lohndumping durch Leiharbeit einen Riegel
vorzuschieben.
Unter der Regierung Schröder
wurde Leiharbeit dereguliert und die Überlassungshöchstdauer abgeschafft. Die
schwarz-gelbe Koalition unter Angela Merkel fügte aufgrund einer EU-Richtlinie
in das Gesetz zur Arbeitnehmerüberlassung zwar ein, dass diese nur
vorübergehend erlaubt sei, weigerte sich aber, den Begriff „vorübergehend" zu
konkretisieren und Sanktionen zu verankern. Im Juli 2013 stärkte das BAG die
Rechte von Betriebsräten und stellte fest, dass diese ihre Zustimmung zum dauerhaften
Einsatz von Leiharbeitern verweigern können. Das Urteil war ein so großer Paukenschlag,
dass ihn auch Union und SPD nicht überhören konnten. Sie einigten sich in den
Koalitionsverhandlungen darauf,
künftig die Überlassungshöchstdauer auf 18 Monate zu begrenzen. Doch das ist immer
noch viel zu lang. Soll Leiharbeit ernsthaft wieder auf ihre ursprüngliche
Funktion zurückgeführt werden, Personalengpässe und Auftragsspitzen abzufangen,
muss die Überlassungshöchstauer auf maximal drei Monate begrenzt werden.
Klargestellt werden muss zudem, dass nach Überschreiten der
Überlassungshöchstdauer die Übernahme in den Entleihbetrieb zu erfolgen hat.
Erst nach neun Monaten soll laut Koalitionsvertrag das
Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit" gelten. Leiharbeiter sollen weiter für
neun Monate schlechter bezahlt werden dürfen als ihre regulär beschäftigten
Kollegen. Je nach Branche beträgt die Lohndifferenz immerhin zwischen 20 und 40
Prozent. Vielen Leiharbeitern bringt diese Regelung aber gar nichts. Denn rund die
Hälfte ist nur für drei Monate in einem Betrieb beschäftigt. Völlig außen vor
lassen die angehenden Großkoalitionäre, dass Leiharbeiter auch in Fragen von Arbeitszeit,
Urlaub, Arbeits- und Gesundheitsschutz, Weiterbildung oder der Mitbestimmung
gegenüber den Stammbeschäftigten benachteiligt werden.
Damit Belegschaften nicht länger in Beschäftigte erster und
zweiter Klasse gespalten werden und die Arbeitsbedingungen in den Betrieben
unter Druck geraten, muss ab dem ersten Einsatztag, Equal Pay (gleicher Lohn
für gleiche Arbeit) und Equal Treatment (Gleichbehandlung) gelten. Darüber
hinaus wollen wir für Leiharbeiter aufgrund der hohen Flexibilitätsanforderungen
eine Prämie in Höhe von 10 Prozent einführen. Und Betriebs- und Personalräte
müssen in den Einsatzbetrieben ein Vetorecht gegen den Einsatz von Leiharbeit
und Werkverträgen, die zunehmend als Alternative zur Leiharbeit missbraucht
werden, bekommen. Mit Placebos à la Schwarz-Rot ist es nicht getan!