Stressfreies Arbeiten heißt Arbeitszeit begrenzen

Jutta Krellmann (DIE LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Noch nie waren die Zahlen so dramatisch wie im Moment – wir haben das gerade gehört -: Jeder dritte Arbeitnehmer leidet dauerhaft unter Stress; die Fehltage wegen psychischer Belastungen und Erkrankungen haben sich seit 1997 verdreifacht, und die Hälfte aller krankheitsbedingten Frühverrentungen geht auf psychische Erkrankungen zurück. Druck und Angst gehören mittlerweile leider bei vielen Beschäftigten zum Arbeitsalltag.

Es ist höchste Zeit für eine Anti-Stress-Verordnung, und die wöchentliche Höchstarbeitszeit muss auf 40 Stunden begrenzt werden,

(Beifall bei der LINKEN)

ob für Ingenieure, Bankkauffrauen, Köchinnen, den Verkäufer oder die Verkäuferin. Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung als Gewerkschaftssekretärin kann ich sagen: Es war noch nie so schlimm wie heute. Die Beschäftigten müssen endlich mitbestimmen können, wenn es um die Gestaltung ihrer Arbeit geht.

Ich frage mich, wie Sie als Abgeordnete der regierungstragenden Fraktionen diese Zustände mit ihrem sozialen Gewissen vereinbaren können, ohne irgendetwas zu tun. Die Zahlen sind eine arbeitsmarkt- und gesundheitspolitische Bankrotterklärung. Sie haben beim Schutz der Beschäftigten kläglich versagt.

(Beifall bei der LINKEN – Albert Stegemann (CDU/CSU): Klar! 45 Millionen Beschäftigte!)

Schlimmer noch: Sie haben mit Ihrer Agenda der Deregulierung und Flexibilisierung maßgeblich dazu beigetragen, dass die Menschen in den Betrieben krank werden. Statt sich um die Menschen zu kümmern, kneifen Sie vor den Arbeitgebern und nehmen Krankheit und Fehlzeiten in Kauf. Die Anti-Stress-Verordnung würde Beschäftigten und Arbeitgebern zeigen, was gegen psychische Belastung konkret getan werden muss. Das ist ja wohl nicht zu viel verlangt.

(Beifall des Abg. Herbert Behrens (DIE LINKE))

Beim Arbeitsschutz funktioniert das ja auch.

Wenn über 90 Prozent der deutschen Unternehmer angeben, sich nur mit Arbeits- und Gesundheitsschutz zu befassen, weil sie eine gesetzliche Vorschrift und Vorgabe dafür haben, dann sage ich: Wenn das wirklich so ist und wenn die Arbeitgeber das wollen, dann müssen sie das bekommen, und dann müssen wir etwas beschließen, um eine Anti-Stress-Verordnung anzustoßen.

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn bei der aktuellen Beschäftigtenbefragung der IG Metall Hunderttausende angeben, dass die 35-Stunden-Woche ihre Wunscharbeitszeit ist, dann kann die Politik das nicht ignorieren. Die Gewerkschaften verhandeln die Arbeitszeit, aber den Rahmen setzen wir; das macht es zu einem klaren Handlungsauftrag für dieses Haus. Sie von der Bundesregierung zwingen den Beschäftigten, ohne mit der Wimper zu zucken, immer mehr Flexibilität auf und durchlöchern das Arbeitszeitgesetz.

(Dr. Martin Rosemann (SPD): Können Sie das einmal benennen? – Zuruf von der CDU/CSU: Das stimmt doch gar nicht!)

– Ja, gucken Sie sich doch einmal an, wie viele Ausnahmeregelungen es im Zuge der letzten Jahre schon jetzt im Arbeitszeitgesetz gibt. Diese sind nicht mit der Opposition auf den Weg gebracht worden, sondern in der Regel mit Beteiligung der SPD.

(Dr. Martin Rosemann (SPD): Sagen Sie doch mal, was wir in dieser Legislaturperiode da gemacht haben!)

Ich sage: Wenn Flexibilität, dann aber nur in den Grenzen einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 40 Stunden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ach, so viel?)

Alles andere ist eine gesundheitspolitische Amokfahrt. Nur so können wir garantieren, dass die einen nicht wegen zu viel Arbeit krank werden und die anderen nicht krank werden wegen zu wenig oder gar keiner Arbeit. Arbeit muss im Sinne der Beschäftigten gestaltet und Arbeitszeit umverteilt werden. Dafür steht die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Abgeordnete der SPD, ich frage mich, ob Sie sich noch gut an die letzte Legislaturperiode erinnern.

(Katja Mast (SPD): Natürlich!)

Es ist eben ein bisschen durchgeschienen. In der letzten Legislaturperiode hatten Sie einen Antrag mit dem Titel „Arbeitsfähigkeit von Beschäftigten erhalten – Psychische Belastungen in der Arbeitswelt reduzieren“ eingebracht. Für diesen Antrag haben Sie viel Lob bekommen. Das war ein gelungener Entwurf für eine Anti-Stress-Verordnung.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich bin sicher: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden ganz genau hinschauen, was Sie gerade in dem Zusammenhang tun werden.

(Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU): Wie in Nordrhein-Westfalen! Da haben wir auch genau hingeschaut!)

Wer von sozialer Gerechtigkeit redet und dann nicht zugreift, wenn sie um die Ecke kommt, der hat an der Stelle seinen Vertretungsanspruch verwirkt.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Sollten Sie hier nicht zustimmen, dann zeigt das, dass die Linke die einzige Partei ist, die die Interessen der Beschäftigten in den Betrieben vertritt.

(Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der CDU/CSU und der SPD)