Regierung darf bei Zuwanderung nicht zum Lohndumping anstiften - Jutta Krellmann MdB

Regierung darf bei Zuwanderung nicht zum Lohndumping anstiften

27.04.2012

Juttas Rede im Deutschen Budnestag am 27.04.2012 zum Thema Fachkräftezuwanderung. Die Regierung will  wieder einmal die Schleusen fürs Lohndumping öffnen - durch die Senkung der Mindestgehaltsgrenzen bei Beschäftigten aus Nicht-EU-Staaten geraten die Tarifverträge von Hochqualifizierten massiv unter Druck. So werden Zugewanderte und Einheimische gegeneinander ausgespielt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich freue mich auf die Zuwanderung von vielen Menschen aus dieser Welt. Allerdings finde ich, dass dieser Gesetzentwurf nichts anderes ist als wieder einmal der Versuch, Lohndumping in dieser Republik zu befördern.

(Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Oh weh!)

Sie wollen die Mindestgehaltsgrenzen für die Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung von Beschäftigten aus außereuropäischen Ländern deutlich unter den bestehenden Tarifentgelten ansetzen.

(Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Legen Sie doch mal die ideologischen Scheuklappen ab!)

‑ Jetzt rede ich, danach dürfen Sie. ‑ Das ist unverantwortlich, sowohl gegenüber den zuwandernden wie auch gegenüber den einheimischen Arbeitskräften. Die Beschäftigten werden gegeneinander ausgespielt. Der Wert von Tarifverträgen für Hochqualifizierte wird von der Politik infrage gestellt. Wo bleibt eigentlich Ihr Aufschrei bei diesem politischen Angriff auf die Tarifautonomie?

(Beifall bei der LINKEN)

Sie präsentieren sich an anderer Stelle, insbesondere wenn es um Mindestlöhne geht, als die großen Hüter. Und jetzt? Anscheinend gilt Ihre Sorge um die Tarifautonomie nur dann, wenn Sie die Interessen von Arbeitgebern schützen können.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel aus meinem Bundesland, aus Niedersachsen: Nach den Vorstellungen der Koalition soll ein hochqualifizierter Ingenieur aus einem Nicht-EU-Staat in Zukunft hierzulande für ein Entgelt von 34 000 Euro im Jahr arbeiten können. Derzeit beläuft sich dieser Schwellenwert auf 66 000 Euro pro Jahr. Ein Ingenieur oder eine Ingenieurin mit Fachhochschulausbildung verdient in Niedersachsen nach Tarifvertrag 47 000 Euro pro Jahr, ein Diplomingenieur oder eine Diplomingenieurin 53 000 Euro. Es liegt auf der Hand, dass bei der beabsichtigten Absenkung der Mindestgehaltsgrenze Ingenieure und Ingenieurinnen aus dem Nicht-EU-Ausland dazu missbraucht werden können, um das derzeitige Einkommensniveau der heutigen Ingenieure unter Druck zu setzen.

(Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Sie haben den Markt nicht verstanden!)

Das ist nicht hinnehmbar!

(Beifall bei der LINKEN)

Die Linksfraktion lehnt diesen Gesetzentwurf deshalb entschieden ab. Wir lehnen es ab, dass sich die Unternehmen hemmungslos auf dem weltweiten Arbeitsmarkt günstig bedienen können, statt für gute Jobs, für Qualifikation ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und für genügend Ausbildungsplätze zu sorgen.

Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, schieben den Fachkräftemangel doch nur vor. Es gibt erhebliche Zweifel über das Ausmaß des Fachkräftemangels. Ich erinnere nur daran, dass beispielsweise das DIW, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, einen nennenswerten Ingenieursmangel bestreitet. Für meine Region kann ich nicht behaupten, dass es keine Probleme gäbe. Bei uns klagen Betriebe durchaus über Ingenieursmangel, insbesondere im Elektrobereich. Die Unternehmen klagen aber nicht über die Höhe des Schwellenwertes, sie fordern auch nicht die Absenkung, sondern ihr Ziel ist die Einstellung von Fachkräften. Sie bieten freiwillig gute Bedingungen und gutes Geld.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn Sie etwas gegen den Fachkräftemangel in diesem Land tun wollen, dann erweisen Sie diesem Anliegen mit Ihrem Gesetzentwurf regelrecht einen Bärendienst. Lohndrückerei hat mit nachhaltiger Beschäftigungspolitik und Qualitätssicherung nichts zu tun. Was wir eigentlich brauchen, ist ein umfassendes Maßnahmenpaket. Wir brauchen gute Tarifverträge, gute Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen, den Abbau von Bildungshürden und die langfristige Förderung und Weiterbildung der Menschen hier in diesem Land.

(Beifall bei der LINKEN)

Die IG Metall, Bezirk Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, hat am vergangenen Montag ein solides Konzept mit Maßnahmen für die Fachkräftesicherung im Ingenieursbereich vorgelegt. Ich kann Ihnen die Lektüre dieses Konzepts nur wärmstens empfehlen.

Die Linke fordert: Streichen Sie die Anstiftung zum Lohndumping aus diesem Gesetzentwurf. Das wäre ganz einfach: Sie müssten einfach nur die Vorgaben der EU-Richtlinie umsetzen.

(Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): So ein Blödsinn!)

Mein Kollege Wunderlich hat das hier schon dargelegt.

(Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Ja, der hat es nicht verstanden!)

Orientieren Sie die Mindestgehaltsgrenze am durchschnittlichen Bruttojahresgehalt eines Vollzeitbeschäftigten und lassen Sie uns dann darüber sprechen, wie wir die Fachkräftesituation verbessern können, und zwar im Interesse der zuwandernden und der einheimischen Beschäftigten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)