Schluss mit dem Schweinesystem

12.05.2014

Juttas Rede vom 8.5. im Bundestag

Vielen Dank. ‑ Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Noch nie wurde so viel über die Fleischindustrie geredet wie in den letzten Monaten und Jahren. Beispielsweise stand im April ein Artikel in der Frankfurter Rundschau mit der bezeichnenden Überschrift „Im Schweinesystem". Es ging dabei vor allem um Arbeitskräfte aus Osteuropa, Bulgarien und Rumänien, die in deutschen Schlachthöfen arbeiten.

60 Stunden schwere Arbeit pro Woche waren keine Seltenheit, und das für einen Hungerlohn von 4,76 Euro pro Stunde. Davon gehen bis zu 300 Euro für ein Bett in einer überfüllten Bruchbude weg. Oft müssen noch Zwangsabgaben für den Transport zur Arbeit, das Werkzeug und die Arbeitskleidung gezahlt werden. Das sind nahezu mafiöse Strukturen; und das mitten in Deutschland. Urlaub gibt es nicht. Dafür gibt es bei Krankheit die Kündigung. Das ist pure Ausbeutung. Diese Zustände sind ein Skandal!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie erinnern an die schlimmen Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie in Chicago im Jahre 1900, wie sie Upton Sinclaire in seinem Roman Der Dschungel beschrieben hat. Damals ging es um Einwanderer aus Litauen. Heute geht es um Menschen aus Osteuropa, die in Deutschland arbeiten.

Damals und heute ist das für die Arbeitgeber ein sehr lukratives Geschäft. Große Fleischproduzenten wie Tönnies in Niedersachsen und NRW verdienen sich auf dem Rücken der Arbeitnehmer dumm und dämlich. Sie können sich dadurch sogar teure Bundesligaklubs zu Werbezwecken leisten.

Die Verantwortung für diese Ausbeutung tragen dabei nicht nur die Arbeitgeber, sondern auch der Gesetzgeber. Politiker aller Regierungsparteien seit Rot-Grün haben den Arbeitsmarkt dereguliert und dafür gesorgt, dass Unternehmen heute leicht mit Leiharbeit oder Werkverträgen gesetzliche und tarifliche Standards unterlaufen können.

Undurchsichtige Subunternehmerketten und Werkverträge sind gerade in der Fleischindustrie ein riesiges Problem. Es wird höchste Zeit, dass dagegen etwas unternommen wird.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ein Mindestlohn ist überfällig und ein Schritt zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie. Die Linke ist für die Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf alle Branchen, weil damit leichter Branchenmindestlöhne festgelegt werden können. Die Voraussetzung dafür muss aber sein, dass die Branchenmindestlöhne höher sind als der gesetzliche Mindestlohn.

(Beifall der Abg. Kathrin Vogler (DIE LINKE))

Das ist beim Mindestlohn für die Fleischindustrie leider nicht der Fall. Es ist schon gesagt worden, dass er im nächsten Jahr für neun Monate niedriger sein wird als der gesetzliche Mindestlohn, der ab 1. Januar gelten soll. So geht das nicht.

Ein Tarifvertrag muss bessere Bedingungen enthalten und nicht gesetzliche Regelungen unterbieten. Die Arbeitgeber in der Fleischindustrie haben jahrelang Tarifverträge verhindert und damit wirklich schlimme Arbeitsbedingungen geschaffen.Sie haben jede Möglichkeit und jedes Schlupfloch genutzt, das der Gesetzgeber ihnen ermöglicht hat. Die gleichen Arbeitgeber nutzen jetzt die Möglichkeit, den gesetzlichen Mindestlohn per Tarifvertrag bis Ende 2016 zu unterschreiten. Mir kann keiner erzählen, dass das der Wunsch der Gewerkschaft NGG war. Es war die Situation, dass sie einen Tarifvertrag haben mussten und wollten. Am Ende mussten sie unterschreiben.

Sie, die große Koalition, tragen die Verantwortung dafür, dass die Beschäftigten in der Fleischindustrie im nächsten Jahr weniger als den gesetzlichen Mindestlohn erhalten; denn Sie bieten den Arbeitgebern durch die Regelungen im Gesetzentwurf für den Mindestlohn ein neues Schlupfloch. Damit muss einfach Schluss sein.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Katja Mast (SPD))

Streichen Sie die Ausnahmen im Gesetzentwurf für den allgemeinen Mindestlohn. Der gesetzliche Mindestlohn darf kein löchriger Flickenteppich werden. Er muss eine Schutzfunktion für alle Beschäftigten haben.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Der Tarifvertrag der NGG gilt heute schon. Heute geht es um die Aufnahme der Fleischbranche in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Beschäftigten werden ab dem 1. Juli im Verhältnis deutlich mehr Geld bekommen. Deshalb und damit die Branche überhaupt in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufgenommen wird, wird die Linke diesem Gesetzentwurf zustimmen; damit wird es auf den Weg gebracht.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD - Zuruf von der CDU/CSU: Donnerwetter!)