Wir müssen die Lawine der Stress- und Billigjobs stoppen

13.03.2012

Während die Kanzlerin immer neue Rettungspakete für die Banken schnürt und mit Sarkozy die Griechen zu immer brutaleren Kürzungsprogrammen zwingt, scheint die Krise auf dem deutschen Arbeitsmarkt zumindest noch nicht angekommen zu sein. Oder? Richtig ist, dass gerade auch dank der Gewerkschaften eine beschäftigungspolitische Katastrophe in Deutschland während der großen Finanzkrise 2008/09 abgewendet werden konnte. Vor allem mit der erleichterten Kurzarbeit und anderen arbeitzeitpolitischen Instrumenten aber auch mit den Konjunkturprogrammen. Die kurzfristigen Erfolge der Beschäftigungssicherung dürfen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Krise die Veränderungen des Arbeitsmarktes hin zu mehr prekärer Beschäftigung und schlechteren Arbeitsbedingungen noch einmal kräftig beschleunigt hat. Die Krise wurde von den Unternehmen nach der Beendigung der Kurzarbeit geschickt für die Intensivierung der Arbeit genutzt, für die weitere soziale Entsicherung vieler Arbeitsplätze und nicht zuletzt für die Ausweitung der Arbeitszeiten. Das von der Regierung gefeierte deutsche Beschäftigungswunder entpuppt sich folglich als Lawine von Billig- und Stress-Jobs. Immer schneller auf dem Vormarsch sind die Leih- und Werkvertragsarbeit aber auch die befristete und geringfügige Beschäftigung, die Solo-Selbstständigkeit, die Schein-Praktika und die unfreiwillige Teilzeitarbeit. Die Beschäftigten wiederum, die sich noch in einem so genannten Normalarbeitsverhältnis befinden, die werden mit einer enormen Arbeitsverdichtung und mit immer mehr Stress drangsaliert, mit ernst zunehmenden Folgen für ihre Gesundheit und ihre allgemeine Lebensqualität.

Wie sieht nun die Antwort der LINKEN auf diese Krisenpolitik und die Zuspitzung schlechter Arbeitsbedingungen aus? Gefordert ist nach meiner Meinung ein umfassendes und konsequentes Konzept für Gute Arbeit. Dazu gehören Strategien gegen sämtliche prekäre Beschäftigungsformen, also die Arbeit, von der die Beschäftigten nicht oder nur schlecht leben können. Wir fordern das Verbot der Leiharbeit und brauchen gesetzliche Maßnahmen gegen die unsoziale Werkvertragsarbeit. Ein vordringliches Ziel muss nicht zuletzt ein guter Mindestlohn sein und wir sagen ganz klar: Ein guter Mindestlohn meint mindestens 10 Euro die Stunde und er muss flächendeckend und gesetzlich geregelt sein. Wir dürfen der CDU ihre derzeitigen Täuschungsmanöver nicht durchgehen lassen. Was die derzeit unter den "marktwirtschaftlichen Lohnuntergrenzen" diskutiert, ist mehr als ungenügend und wird den meisten Niedrig- und Niedrigstlohnbeschäftigten nicht weiter helfen. Wir müssen jetzt mit all unseren Kräften und gemeinsam mit den Gewerkschaften für einen Mindestlohn kämpfen, der seinen Namen auch wirklich verdient.

Und übrigens: Der Kampf gegen die Niedriglöhne greift auch die Ursachen der Krise an. Was oft und gern verschwiegen wird ist, dass es gerade die durch das massive Lohndumping der vergangenen Jahre erzielten zusätzlichen Gewinne der Unternehmen waren, welche die Finanzmärkte bis zum Platzen aufgeblasen haben.

Zum Thema Gute Arbeit gehört aber noch mehr. Wir brauchen eine klare Antwort auf die Entgrenzung der Arbeitszeit und Instrumente gegen den zunehmenden Arbeitsstress. Im Jahr 2010 mussten die deutschen Beschäftigten 2,5 Milliarden Überstunden ableisten und die Hälfte davon war unbezahlt. Das entspricht übrigens bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden nahezu 360.000 Vollzeitstellen! Und es geht nicht nur um die Begrenzung von Überstunden. Die Finanzkrise hat doch gezeigt, dass Arbeitszeitverkürzung wieder auf unsere Agenda muss - und zwar bei vollem Lohnausgleich. Im jüngst verabschiedeten Grundsatzprogramm unserer Partei wird perspektivisch die 30-Stunden-Woche gefordert. Wenn wir uns wirklich in diese Richtung aufmachen wollen, dann brauchen wir breite gesellschaftliche Allianzen und vor allem die Gewerkschaften.

Das sind nur Ansätze eines weiter zu entwickelnden Profils der LINKEN als Partei der Guten Arbeit. Die Menschen müssen uns als Partei wahrnehmen, die engagiert für soziale Gerechtigkeit, für die Würde und den Wert der Arbeit streitet - gegen das Kapital und seine Lobbyisten. Als nicht hilfreich sehe ich in diesem Zusammenhang die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen an. So attraktiv dieses auf den ersten Blick erscheinen mag, kann es sich als gefährlicher programmatischer Bumerang erweisen. Kein Zweifel, die Anhänger/innen des Grundeinkommens verfolgen ehrenwerte Ziele. Mittelbar geht es auch ihnen um gute Arbeit und ein gutes Leben. Manchmal aber führen ehrenwerte Ideen ins Hintertreffen. Denn faktisch führt diese Forderung die Partei weg von den realen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen, die in der Arbeitswelt jetzt geführt werden müssen. Letztlich läuft das Grundeinkommen auf eine verallgemeinerte Sozialhilfe beziehungsweise einen Kombi-Lohn für alle hinaus. Die Kapitalseite kann in jedem Fall ihre Interessen wahren. Entweder sie nutzt das Grundeinkommen, um die Löhne weiter zu senken oder aber sie treibt die Preise in die Höhe. Ein Grundeinkommen, welches der Kapitalseite nicht nutzt, wird es im Kapitalismus nicht geben. Anders aber verhält es sich eben mit den Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung, guten Löhnen, einer auf Förderung hin orientierten Arbeitsmarktpolitik, die auf Vollbeschäftigung zielt und einer konsequenten Humanisierung der Arbeitswelt. Diese Forderungen knüpfen an reale gesellschaftliche Konflikte an und sie haben einen weiteren Vorteil: Für diese konkreten Ziele lassen sich die Beschäftigten auch mobilisieren.

Arbeit bedeutet gesellschaftliche Teilhabe. Und Arbeitslosigkeit ist und bleibt ein Angriff auf die Integrität der Menschen. Viele Erwerbslose leiden am Gefühl ausgeschlossen zu sein und nicht mehr gebraucht zu werden. Hartz IV ist dann noch einmal eine zusätzliche Schikane. Um dem zu entgehen, nehmen Erwerbslose noch die miesesten Jobs an, packen auf und kassieren bei KiK oder Netto für 7,50 Euro brutto die Stunde, lassen sich bei Lidl von selbstherrlichen Chefs drangsalieren und ausspionieren, verzichten auf Arbeitsstandards, die vor einigen Jahren noch selbstverständlich waren. Diese Arbeitswelt raubt den Menschen die Würde. Und es ist Sinn und Zweck der LINKEN, mit diesen Verhältnissen endlich Schluss zu machen, der Arbeit eben wieder ihre Würde zu geben und damit die Voraussetzungen für ein gutes Leben zu schaffen. Neue soziale Ideen muss man nicht nur haben, man muss sie auch umsetzen können.