Psychische Erkrankungen: ältere Beschäftigte im Gesundheitswesen beson-ders stark betroffen

08.02.2021

Auswertung der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Alternde Belegschaften und psychische Belastungen bei der Arbeit“ (Drs. 19/23898) von Jutta Krellmann u.a., DIE LINKE im Bundestag

Zusammenfassung:

Die Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund von psychischen und Verhaltensstörungen hat sich in den letzten zehn Jahren verdreifacht (+ 213 Prozent). Die Betroffenheit von älteren Beschäftigte ab 45 Jahre ist um mehr als drei Viertel höher, als bei Jüngeren. Frauen sind um etwa zwei Drittel stärker betroffen als Männer. Ältere Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialwesen sind mehr als doppelt so häufig wegen psychischer Erkrankungen krankgeschrieben, als im Durchschnitt aller Branchen und Altersgruppen. Die am stärksten betroffene Beschäftigtengruppe sind ältere Frauen im Gesundheits- und Sozialwesen.

Der Anteil älterer (50 +) an der Gesamtzahl aller Beschäftigten ist in den letzten zehn Jahren von etwa 29 auf knapp 37 Prozent gestiegen, die Anzahl älterer Beschäftigter ist um fast die Hälfte angewachsen. Der Anteil älterer sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter im Gesundheits- und Sozialwesen ist von 25 Prozent im Jahr 2009 auf 35 Prozent im Jahr 2019 gestiegen. Bei ausschließlich geringfügig Beschäftigten ist der Anteil im selben Zeitraum von 38 auf 57 Prozent gestiegen.

Die Anzahl der Ausfalltage aufgrund von psychischen und Verhaltensstörungen hat sich von 27,3 Millionen Ausfalltagen im Jahr 1998 auf 111,8 Millionen Ausfalltage im Jahr 2018 erhöht. Die anteiligen Produktionsausfallkosten am Bruttonationaleinkommen haben sich in diesem Zeitraum mit 13,3 Milliarden € vervierfacht. Jede vierte Frühberentung geht auf die Diagnose „Psychische Störungen“ zurück, mit steigender Tendenz.

Wesentliche arbeitsbezogene Stressoren sind Zeit- und Leistungsdruck, Multitasking, häufige Unterbrechungen, geringe Kontrolle über die Arbeit, unfaire Entlohnung, Monotonie und Arbeitsplatzunsicherheit sowie nicht zuletzt Mobbing und schlechte Führung. Vor allem ältere Beschäftigte zeigen negative Körperreaktionen auf Stress, insbesondere wenn sie nicht über hinreichende Bewältigungsstrategien verfügen. Mit zunehmendem Alter steigt die Belastung durch häufigen Termin- oder Leistungsdruck, durch das Betreuen von verschiedenen Arbeiten gleichzeitig belastet, man arbeitet häufiger an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit und hat häufiger Probleme nach der Arbeit abschalten zu können.

Zur Vermeidung von Gefährdungen kommt der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung psychische Belastungen eine große Bedeutung zu, erklärt die Bundesregierung. Aber nur 5 Prozent aller Betriebe setzen die Gefährdungsbeurteilung vollständig um. Etwa drei von zehn Betrieben führen Gefährdungsbeurteilungen durch, ohne psychische Belastungen zu berücksichtigen. In Betrieben mit Betriebsrat werden Gefährdungsbeurteilungen häufiger durchgeführt.

O-Ton Jutta Krellmann, MdB, Sprecherin für Mitbestimmung und Arbeit, DIE LINKE im Bundestag:

„Es ist ein Offenbarungseid: diejenigen, die wir am meisten brauchen, brennen am schnellsten aus. Bessere Arbeitsbedingungen in Gesundheit, Pflege und sozialen Berufen sind überfällig. Wettbewerb und Markt haben in diesen Bereichen nix zu suchen. Leider hat es eine Corona-Pandemie gebraucht, damit sich diese Einsicht langsam durchsetzt. Es ist höchste Zeit für einen besseren Arbeits- und Gesundheitsschutz in allen Bereichen der Wirtschaft. Die bestehenden Instrumente reichen nicht aus. Wir brauchen eine Anti-Stress-Verordnung, die Arbeitgebern klar vorschreibt, wie Beschäftigte vor Stress, Ermüdung und Monotonie zu schützen sind. Außerdem gilt es die betriebliche Mitbestimmung auszuweiten. Starke Betriebsräte, die sich schützend einmischen können, sind die richtige Antwort auf Stress und Arbeitsverdichtung. Gerade dort wo es keine Betriebsräte gibt, muss der Staat viel häufiger und zielgerichteter kontrollieren. Hierfür braucht es mehr Personal, digitale Ausstattung und Mut zu abschreckenden Bußgeldern. Hier muss die Bundesregierung, die Länder entsprechend antreiben“.

Hier geht es zur vollständigen Auswertung der Kleinen Anfrage
Hier findet ihr die Kleine Anfrage und die Antwort der Bundesregierung

Hier die Berichterstattung beim RND